Moderne Literatur
Dirk Bernemann: Kalk
»Kalk« ist ein großes Vergnügen. Ich hatte bereits mit »Schützenfest«, dem letzten Roman von Dirk Bernemann, viel Spaß. Beide Bücher sind trotz aller Düsternis sehr witzig, voller genauer Betrachtungen der menschlichen Natur und überraschender Wendungen.
George Saunders: Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil
»Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil« ist eine gelungene politische Satire, über die man vor zwanzig Jahren sicher noch mehr lachen konnte. Heutzutage erscheinen selbst die absurdesten Passagen nicht mehr unglaubwürdig oder sie wurden schon längst von der Realität übertroffen.
Gijs Wilbrink: Tiere
»Tiere« von Gijs Wilbrink ist ein düsterer Heimatroman mit einer holländischen White-Trash-Familie, die von allen gefürchtet wird. Die »Flodders« waren dagegen geradezu liebenswert, aber hier handelt es sich auch nicht um eine Komödie.
Peter Richter: 89/90
Es braucht ein wenig, um in »89/90« von Peter Richter hineinzufinden, aber wenn es dann erst seinen durch die historischen Ereignisse begründeten und mit Humor garnierten Sog entwickelt, mag man es nicht mehr aus der Hand legen – bis es allerdings, ebenfalls aus historischen Gründen, unbequem, erschütternd und ernüchternd wird.
Dennis Lehane: Sekunden der Gnade
Ein Gerichtsbeschluss lässt die Gemüter der Einwohner*innen von Boston Mitte der Siebziger Jahres des vergangenen Jahrhunderts geradezu überkochen: In Zukunft sollen schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gefahren werden und umgekehrt. Gleichberechtigung heißt das Zauberwort. Doch die wird im weißen Stadtteil Southie als Kampfansage verstanden.
Nele Pollatschek: Kleine Probleme
Der Mensch ist geboren, etwas Großes zu erschaffen. Ob bahnbrechende Erfindungen, Flüge zum Mond, Bestseller-Romane oder Super-Hits – wollen wir nicht alle hoch hinaus? Der Protagonist in Nele Pollatscheks aktuellem Roman »Kleine Probleme« hat dasselbe Ziel. Dabei will er auch noch alles richtig machen.
Sascha Seiler: Bornheim Blues. Jörg Fauser – Ein Essay
Wann habe ich selbst das erste Mal von Jörg Fauser gehört, etwas von ihm gelesen? Ich meine, es war im Frankfurter Social Beat-Magazin »Cocksucker«, irgendwann in den 90er Jahren. Da ging es um »Trotzki, Goethe und das Glück«, und ich lag in einem Braunschweiger Freibad und träumte von der Revolution und davon, ein großer Schriftsteller zu werden.
T.C. Boyle: I Walk Between the Raindrops
T.C. Boyle ist und bleibt ein Meister auf der literarischen Kurzstrecke. Schon seit längerem lese ich seine Short Stories mit größerer Begeisterung als seine Romane. Wobei, fast jede seiner Kurzgeschichten hätte das Potenzial für einen Roman. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, liegt mit »I Walk Between the Raindrops« nicht verkehrt.
Joachim B. Schmidt: Kalmann und der schlafende Berg
In seinem ersten Roman über Kalmann Óðinsson ließ uns der Autor Joachim B. Schmidt die Welt aus der Sicht eines jungen Mannes betrachten, die einerseits einem arglosen Kind gleicht, andererseits jedoch verblüffend klug und besonnen wirkt. In der Fortsetzung »Kalmann und der schlafende Berg« gelingt es ihm erneut, eine ebenso berührende wie feinfühlige Geschichte zu erzählen.
Dietmar Wischmeyer: Begrabt meinen rechten Fuß auf der linken Spur
Bücher gibt es von Dietmar Wischmeyer schon einige, aber erst einen Roman: In der fiktionalen Autobiografie »Begrabt meinen rechten Fuß auf der linken Spur« begleitet man den Ich-Erzähler Wolfgang Schrage dabei, wie er sich vom kotzbrockigen Landei zum netten Freund entwickelt, erzählt an alltäglichen bis hochpolitischen Begebenheiten …
Daniel Borgeldt: Cheyenne
»Cheyenne« – ist das ein Krimi? Wahrscheinlich nicht, auch wenn es gewissermaßen um einen Kriminalfilm geht. Ist es dann vielleicht ein Entwicklungsroman? Schon eher, aber auch das trifft es nicht so ganz. Oder ist es einfach nur Trash? Und warum eigentlich »nur«? »Heute führe ich ein ruhiges Leben«, berichtet die Ich-Erzählerin.
George Saunders: Tag der Befreiung
Über George Saunders brauche ich inzwischen wohl nicht mehr viel zu erzählen, außer vielleicht, dass er mit diesem Band ein weiteres Mal seinen Ruf als herausragender Erzähler beweist und festigt. (…) Mein absoluter Favorit in dieser Sammlung ist »Die Mom der kühnen Tat«. (…) Eine ganz und gar beeindruckende Geschichte.
David Foster Wallace: Der Spaß an der Sache
Wenn mir an irgendeinem Punkt meines Lebens jemand erzählt hätte, ich würde einmal freiwillig Essays über Tennis lesen, hätte ich sehr lange gelacht. Ziemlich genau bis zur Lektüre dieses Buches, denn ein wirklich guter Autor kann alles auf interessante Weise erzählen.
Matt Haig: Die Mitternachtsbibliothek
Als Nora Seed nach ihrem Tod im Jenseits erwacht, befindet sie sich vor einer riesigen Bibliothek. Sie trifft dort auf ihre alte Bibliothekarin aus Schultagen, die immer gut zu ihr war. Von ihr erfährt sie, dass all die Bücher dort die Leben sind, die sie alternativ hätte führen können, und lädt sie ein, einige von ihnen auszuprobieren …
Hari Kunzru: Götter ohne Menschen
»Götter ohne Menschen« ist ein intelligenter Gegenwartsroman, der sich mit vielen ernsten Themen beschäftigt, ohne sich dabei zu verheben. Einwanderung, Identität, Rassismus, Soziale Netzwerke, Religionen und deren Ersatz sowie das Unrecht an amerikanischen Ureinwohnern werden ohne pädagogischen Zeigefinger in die Handlung eingewoben.
Daniel Kehlmann: Lichtspiel
An den Romanen von Daniel Kehlmann werde ich künftig wohl nicht mehr vorbeikommen. Er ist ein begnadeter Erzähler und hat dies mit seinem neuesten Buch »Lichtspiel« erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Kehlmann widmet sich darin mit viel fiktionalem Schmuckwerk der Geschichte des deutschen Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst.
Florian Knöppler: Südfall
»Südfall« ist ein Roman der leisen Töne, in welchem uns der Autor Florian Knöppler viele Menschen näherbringt, die in ihrem Leben an einem Punkt angelangt sind, den sie nicht selbst zu verantworten haben, der sie aber zwingt, über das Leben ganz neu nachzudenken. Schauplatz ist die Hallig Südfall im Kriegsjahr 1944.
Layla AlAmmar: Das Schweigen in mir
In kurzen, knapp bemessenen Kapiteln folgt man den täglichen Beobachtungen einer aus Syrien geflüchteten Frau. Sie lebt in einer britischen Großstadt und ist aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen verstummt. Ob sie sich nur weigert zu sprechen oder es gar verlernt hat, weiß sie selbst nicht genau.