Daniel Borgeldt: Cheyenne»Cheyenne« – ist das ein Krimi? Wahrscheinlich nicht, auch wenn es gewissermaßen um einen Kriminalfilm geht. Ist es dann vielleicht ein Entwicklungsroman? Schon eher, aber auch das trifft es nicht so ganz. Oder ist es einfach nur Trash? Und warum eigentlich »nur«?

»Heute führe ich ein ruhiges Leben«, berichtet die Ich-Erzählerin. »Hat auch lange genug gedauert. Was ich hier aufschreibe, ist Jahrhunderte her. So fühlt es sich an. Ist aber in Wahrheit vor weniger als zehn Jahren passiert. Ich bin seit langem raus aus dem ganzen Scheiß. Doch wenn ich mich hinsetze und das aufschreibe, dann seh ich wieder das Mädchen vor mir, das ich damals war. Ich fang dann auch an so zu denken und zu reden oder besser, zu schreiben wie sie. Ich meine, ich hab ja in der Schule nie so viel aufgepasst. Und später musste ich eben arbeiten. Deswegen ist meine Sprache wohl ziemlich im Arsch. Aber ich versuche rauszuholen, was geht. Weil ich langsam irgendwem davon erzählen muss. Sonst werde ich bekloppt.«

Man merkt gleich: Dieser jugendliche Alltagsjargon klingt zeitlos, biedert sich nicht an. Die Geschichte spielt in einem migrantischen und kriminellen Unterschichtsmilieu, wobei sich Daniel Borgeldt nicht anmaßt, über die von ihm ersonnenen Charaktere zu urteilen. Vielmehr spielt er gekonnt mit Klischees, zieht eine Metaebene ein, mit der er Cheyenne mit ihren eigenen Augen beobachten kann. Dabei ist es keine Sozial- oder gar Klassenstudie, denn Borgeldt will vor allem unterhalten. Und ich bin weit davon entfernt, dies abfällig zu meinen.

Dass der Roman eine melancholische Grundstimmung hat, steht dazu keinesfalls in einem Widerspruch. Die Gattung »Popliteratur« ist heute etwas aus der Mode gekommen (zumindest die Begrifflichkeit), aber vielleicht lohnt es sich hier, die Bezeichnung wieder aufzugreifen, denn neben den alltäglichen Beschreibungen und zeitgeschichtliche Anklänge sind hier die popkulturellen Reminiszenen an die großen Kinofilme von Quentin Tarantino, Martin Scorsese und David Lynch, mehr als deutlich – und werden auch explizit genannt. Cheyenne liebt diese Gangsterfilme. Und lebt sie. Und die Musik von Kimya Dawson und Slayer mag sie auch. So widersprüchlich ist das Leben manchmal.

Es bleibt zu sagen, dass dieser Roman Witz und Charme hat und vor allem spannend bis zum Schluss ist. Ein großer Lesespaß also!

Daniel Borgeldt: Cheyenne | Deutsch
Ventil Verlag 2023 | 184 Seiten | Jetzt bestellen