»Fake History – Hartnäckige Mythen aus der Geschichte« ist ein Buch wie ein Krimi, weil Jo Hedwig Teeuwisse detektivisch zur Sache geht und ihre Ermittlungsschritte und Quellen transparent hält. Das Werk hat nur einem Schönheitsfehler: Die Übersetzung ist furchtbar.
Alle Beiträge von
Matthias Bosenick
Kathrin Aehnlich: Wie Frau Krause die DDR erfand
»Wie Frau Krause die DDR erfand« ist ein Lehrstück, eine Recherchearbeit, ein Wikipediaeintrag, eine Liebeserklärung, eine Selbstermächtigung. Sie ist keine verblendete Ostalgie, keine Verklärung, auch keine Verurteilung, sondern um eine realistische, ausgewogene Darstellung des Alltagslebens bestrebt.
Reinhard Kleist: Low – David Bowie’s Berlin Years
1976 zieht David Bowie nach Berlin-Schöneberg, um seine in Los Angeles ausgeuferte Sucht nach schädlichen Substanzen in den Griff zu bekommen – und um eine am Krautrock geschulte neue Musik zu entwickeln. Daraus gestaltet Reinhard Kleist mit grobem Strich und reduzierter Farbe ein umfangreiches biografisches Schlaglicht auf den Künstler, die Musikszene und die Welt Ende der Siebziger.
Peter Richter: 89/90
Es braucht ein wenig, um in »89/90« von Peter Richter hineinzufinden, aber wenn es dann erst seinen durch die historischen Ereignisse begründeten und mit Humor garnierten Sog entwickelt, mag man es nicht mehr aus der Hand legen – bis es allerdings, ebenfalls aus historischen Gründen, unbequem, erschütternd und ernüchternd wird.
Dietmar Wischmeyer: Begrabt meinen rechten Fuß auf der linken Spur
Bücher gibt es von Dietmar Wischmeyer schon einige, aber erst einen Roman: In der fiktionalen Autobiografie »Begrabt meinen rechten Fuß auf der linken Spur« begleitet man den Ich-Erzähler Wolfgang Schrage dabei, wie er sich vom kotzbrockigen Landei zum netten Freund entwickelt, erzählt an alltäglichen bis hochpolitischen Begebenheiten …
Gerhard Branstner: Der Sternenkavalier – Eine Utopie
Humor, Philosophie und Zukunftsgeschichten waren die Kernthemen von Gerhard Branstner aus der DDR. In seinem 1976 erschienenen Buch »Der Sternenkavalier« kommt alles zusammen: Der überhebliche Wissenschafts-Großmeister Eto Schik macht sich mit seinem eher pragmatisch veranlagten Assistenten As Nap auf den Weg ins All, um das Universum nach ästhetischen Gesichtspunkten umzugestalten.
Luz, Despentes: Vernon Subutex
Ein Brett in jeder Hinsicht ist die erste Graphic-Novel-Umsetzung von Virginie Despentes‘ Roman-Tryptichon »Vernon Subutex«: Inhaltlich vielschichtig, tiefschürfend und umwerfend, physisch großformatig und tonnenschwer. (…) Ein philosophischer, emotional aufwühlender Genuss!
Robert Harris: Vergeltung
Die Corona-Zeit zwang so viele Kulturschaffende dazu, von ihren gewohnten Pfaden abzuweichen. (…) Robert Harris etwa wälzte Geschichtsbücher zum Thema V2 und verfasste einen wertvollen Überblick über die von den Nazis nach ihrem eigentlich längst erfolgten Niedergang konzipierte Vergeltungswaffe.
Haruki Murakami: Erste Person Singular
Das Vergnügen mit »Erste Person Singular« ist kurzweilig, aber auch kurz. Die große Druckschrift lässt es zu, das nicht eben dicke Büchlein schnell durchzulesen, doch sei davon abgeraten: Es könnte sein, dass man die wundervollen Einfälle Murakamis und seine Sprache beiläufig überfliegt.
Mikael Niemi: Wie man einen Bären kocht
Auf eine poetisch erzählte Weise kombiniert Mikael Niemi für »Wie man einen Bären kocht« verschiedene Genres: Whodunnit-Krimi, Historienroman, Liebesgeschichte, religiöses Traktat, Sittengemälde, wissenschaftliche Abhandlung, blutiger Thriller.
Hanco Kolk: Tulpen aus Istanbul
Obskure Figuren, Action, Witz, Dynamik, klare Linie, hier ist alles drin, was man sich von einem Spirou-Abenteuer erhofft: Der Niederländer Hanco Kolk liefert einen Spezialband der Spezialreihe von Spirou & Fantasio, der so gut gelungen ist, dass man sich beinahe wünschen würde, er übernähme die Hauptreihe dieser Comicserie.
Tom Sharpe: Lauter Irre
Für sein vorletztes Buch vor seinem Tod, der vor ziemlich exakt zehn Jahren eintrat, ging der britische Autor Tom Sharpe mit seinem eigenen Baukastensystem, nach dem er üblicherweise seine schwarzhumorigen gesellschaftskritischen Romane verfasste, reichlich schludrig um.
Peter Høeg: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
Interessant ist 30 Jahre später, wie Høeg die Politik Dänemarks im Umgang mit seiner Kolonie Grönlands kritisch darstellt; bis heute ein brisantes Thema im Lande. Ebenfalls aufschlussreich ist, sich in ein Kopenhagen von 1992 hineinzuversetzen, das es heute teilweise nicht mehr gibt: Die beschriebene dunkle Hafenromantik am Sydhavn etwa ist längst nicht mehr existent, so mit hässlichen architektonischen Unfällen, wie die Gegend inzwischen zugebaut ist.
Terry Pratchett & Stephen Baxter: Die lange Erde 2 bis 5
Nach einem Einstieg mit Sogwirkung fasert die von Terry Pratchett und Stephen Baxter erdachte Reihe »Die lange Erde« in satten vier weiteren Bänden aus. Es mangelt nicht an überraschenden Ideen, jedoch an überzeugender Darstellung (…)
Kathrin Lange: 40 Stunden
Kurzweilig und fluffig gestaltet die niedersächsische Autorin Kathrin Lange ihr Thriller-Debüt, in dem sie zwar das von Skandinavien aus etablierte Genre-Setting einhält, aber nach ihren eigenen Regeln anwendet: Ja, der Ermittler hat eine schwere Bürde zu tragen, aber der Lesespaß leidet darunter nicht.
Anette Hinrichs: Nordlicht – Die Spur des Mörders
Der Fall selbst ist ja eigentlich ganz gut konstruiert, aber sprachlich ist das hier eine entsetzliche Frechheit, ein Krimi, wie es sich ein des Schreibens unkundiger Leser vorstellt, dass er geschrieben sein müsste, ohne eigenen Stil, ohne Fantasie, nach dem Baukastenprinzip für das, was Leute, die am liebsten »alles im Radio« hören, als »gutes Buch« bezeichnen.
Leonie Swann: Glennkill
Wer nach über 15 Jahren doch noch den Mut fasst, sich »Glennkill« von Leonie Swann durchzulesen, wird mit einem schwarzumorig-lustigen, poetisch-assoziativen und gut recherchierten Schafskrimi überrascht. Fabelhaft löst eine Herde Schafe den Fall ihres ermordeten Schäfers und trägt dabei spannend und aufschlussreich unerwartete Fakten über den Toten, die Dorfbewohner und einige Herdenmitglieder zusammen. Macht Bock!
Robert Harris: Der zweite Schlaf
Dieses Buch sollte man dringendst zu lesen beginnen, ohne etwas darüber zu wissen, dann wirkt nämlich der recht frühe Twist umso besser. Wer sich davon indes packen lässt, den enttäuscht Robert Harris jedoch auf Strecke: Aus der höchst spannenden Ausgangslage mit verbotener Archäologie in einem repressiven mittelalterlichen Kirchenstaat macht er eine emotionslose Dreiecksgeschichte mit erdrutschartig hingeschludertem Schluss.