Wer jetzt, über 15 Jahre nach dem Hype, den Mut fasst, sich doch mal »Glennkill« der damaligen Münchener Debütantin mit dem anglophonen Pseudonym Leonie Swann durchzulesen, wird mit einem schwarzumorig-lustigen, poetisch-assoziativen und gut recherchierten Schafskrimi überrascht. Fabelhaft löst eine Herde Schafe den Fall ihres ermordeten Schäfers und trägt dabei spannend und aufschlussreich unerwartete Fakten über den Toten, die Dorfbewohner und einige Herdenmitglieder zusammen. Macht Bock!
Man mag so einiges an »Glennkill« nicht glauben: Das soll ein Debüt sein? Aus Deutschland, obwohl es in Irland spielt und britischen schwarzen Humor bietet? Da kann man nur ehrfürchtig niederknien. Schon der Auftakt überzeugt: Lakonisch stellen die Schafe fest, dass ein Spaten keine Krankheit ist, an der man versterben kann. Und schon ist man gefangen. Denkt man noch bei der vorangestellten Vorstellung der Charaktere, dass einige der Namen zu gewollt witzig sind – eine Ermittlerin namens Miss Maple, nun! – , wischt Swann diese Bedenken mit Verve beiseite und entschlüsselt einige dieser vermeintlich flachen Wortspiele im Verlauf sogar. Zudem gibt es nicht wirklich eine Detektivin, sondern dichtet Swann jedem Schaf eine spezielle Eigenschaft an, die während der Ermittlung zum Tragen kommt. Das wirkt wohldurchdacht und es macht Spaß, diesem dadurch logischen Puzzle zu folgen.
Außerdem versetzt sich Swann überzeugend in ihre Protagonisten. Man sieht die Schafe förmlich beim Grübeln mit den Ohren zucken, sofern Grübeln denn eine Eigenschaft des entsprechenden Tieres ist. Man erfährt spielerisch eine Menge über Rassen, Haltung, Ernährung und mehr, ohne dass Swan diese Informationen wie einen wissenschaftlichen Aufsatz einfügt, sondern zweckdienlich in den Verlauf der Handlung. Und man erkennt, wo Schafe ihre Grenzen haben, wenn es darum geht, in der Welt der Menschen einen Mord aufzuklären – sie sind eben keine Katzen, die unbemerkt in aller Welt umherstreifen können. Aus diesen natürlichen Grenzen zieht Swann zusätzlich Komik, wie man überhaupt das sehr starke Gefühl bekommt, die Autorin selbst habe die Fähigkeit, ihre Seele in die eines Schafes transferieren zu können, um anschließend umso authentischer deren Inneres für uns Menschen zu protokollieren.
Gleichzeitig kennt sich Swann natürlich auch mit Menschen aus, und entsprechend schildert sie die Beweg- und Abgründe einer Dorfbewohnerschaft an der irischen Küste mit kaum weniger klugen Einfällen. Und es handelt sich bei »Glennkill« nun mal um einen Krimi, man verfolgt also die deduktiven Schafe ebenso wie die kriminellen Menschen, die von Kiffen bis Mord ein breites Spektrum an Gesetzesbrüchen abdecken. Dabei ist Kiffen für die Schafe noch am nachvollziehbarsten, zumindest können die Ewighungrigen die Sorge um Gras noch am besten teilen. Wortspiele beherrscht Swann definitiv, aber nicht nur, sie ist streckenweise eine begnadete Poetin, die mit ihrer unüblichen Sprache wundervolle Bilder schafft und damit das Lesevergnügen noch potenziert.
Nur manchmal übertreibt sie: Unverständlich wird es für den Leser, sobald Swann die Situationen aus der limitierten Sicht der Schafe schildert, die das menschliche Verhalten mit ihrer eigenen Weltsicht reflektieren, denn dann muss man tierisch aufpassen, wovon gerade die Rede ist, andernfalls läuft man Gefahr, den Anschluss zu verlieren. An anderer Stelle schreibt Swann auch mal etwas langatmig, aber das stört nicht sonderlich, denn dann rettet zumeist die Sprache das Vergnügen. Insgesamt hat man seine helle Freude an diesem Auftakt – denn natürlich gibt es eine Fortsetzung, zwei Jahre später erschien »Garou«. Inzwischen verlegte sich Swann überdies auch auf Flöhe (»Dunkelsprung«) und Papageien (»Gray«). Übrigens: »Shaun, das Schaf« gab es zum Zeitpunkt des Verfassens von »Glennkill« noch nicht, das Schaf selbst indes sehr wohl, als Figur in »Wallace & Gromit unter Schafen«. Abgeguckt kann Swann da also nicht haben.
Leonie Swann: Glennkill. Ein Schafskrimi | Deutsch
Goldmann 2007 | 384 Seiten | Jetzt bestellen