Lakonisch, passiv und betulich wirkt der Schreibstil Arto Paasilinnas in seinem Roman »Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle«, und genau damit erzeugt der Finne einen Bruch zum absurden Inhalt, der alles andere als gewöhnlich ist. Aus dieser Fallhöhe berichtet er beinahe naiv von zwei Erfindern, die mit einer eigensinnigen Gebetsmühle im Schlepptau nichts weniger als die Welt verändern. Sie halten China die menschenverachtende Politik vor, schenken dem Dalai Lama Mungos, gründen eine Weltreligion und eröffnen ein Finnisch-Indisches Restaurant hoch im Norden. Kann man sich nicht ausdenken.
Einer kann, und die Bücher Paasilinnas füllen Regalmeter mit solchen Geschichten. Schon beim Auftakt mag man seinen lesenden Augen nicht trauen: Steht da wirklich, dass ein Mann bei einem Firmenausflug vom Schiff fiel und nun auf einem Stein in der Ostsee wahlweise auf den Tod oder auf Rettung lauert? Paasilinna watscht mit dieser Szene nutzlose Klausurtagungen von kapitalistisch orientierten Ausbeuterfirmen ab, allein damit, dass er sie beschreibt, nicht bewertet. Lauri Lonkonen ist der missmutige Schiffbrüchige, und der trifft nach seiner Rettung und seiner folgenden Entlassung auf seinen Freund Kalle Homanen, mit dem er zunächst die titelgebende Gebetsmühle erfindet, die zur Erbauung der Gläubigen Liturgien sämtlicher Religionen aufzeichnen und wiedergeben soll.
Zu Finanzierungszwecken eröffnen sie in Indien ein Restaurant, nehmen Kontakt zu potentiellen Mühlenproduzenten auf und vereinbaren Buchveröffentlichungen über ihre Bahnreise nach Tibet, wo sie ihren chinesischen Aufpasser mit ihrem Gerechtigkeitssinn brüskieren und sich flugs als politische Gefangene wiederfinden. Nach ihrem Ausbruch flüchten sie in Begleitung eines Yetidarstellers zurück nach Indien, treffen dort ihre Ehefrauen und arbeiten ihre Weltreligion aus, die zu einem Massentreffen der Gläubigen in Finnland führt.
Allein das Nacherzählen offenbart, wie absurd die Handlung ist, und Paasilinna lässt es sich nicht nehmen, weitere Absurditäten bis ins Detail unterzubringen. Beim Erzählen bleibt er durchgehend bei einem schier betulichen Schreibstil mit teilweise veralteter Wortwahl; ob das nun an der Übersetzung liegt oder inwieweit das Finnisch einen solchen Stil ermöglicht, lässt sich nicht ableiten. Auch das Passive erzeugt eine Distanziertheit, die die Naivität der beiden Protagonisten nur unterstreicht. Selbst ihre Gefangenschaft ist eine Folge davon: Erst freuen sie sich über die chinesische Gastfreundschaft, doch als sie am nächsten Tag dem Regierungsbeamten überrascht ihre Rechercheergebnisse zu Menschenrechtsverletzungen in Tibet mitteilen, wundern sie sich über die zurückweisende Reaktion – und dass sie deshalb im Knast landen.
Was auch immer die beiden Erfinder in Gang bringen, geschieht wie beiläufig. Man wundert sich als Leser, dass die Hirngespinste dieser beiden Traumtänzer überhaupt so eine große Resonanz erfahren; ihnen selbst geht es bei aller Zuversicht bisweilen ähnlich. Sie haben große Hoffnung in ihre Gebetsmühle, die irritierenderweise bisweilen ein mystisches Eigenleben entwickelt, indem sie zu unpassenden Gelegenheiten krakeelt, die Liturgien austauscht oder das akustische Dokument des Bordellbesuchs eines der beiden Reisenden abspielt, und trotzdem ein Erfolg wird. Bald schon setzen Lauri und Kalle sie zugunsten ihrer eigenen Weltreligion ein, die anstelle eines Gottes das Weltall setzt und über ein Belohnungssystem funktioniert. Teufelskerle!
Den Irrwitz hält Paasilinna jedoch nicht bis zum Ende durch: Es mag an der Gewöhnung liegen, aber das Humorpotential des Aberwitzes nutzt sich nach und nach etwas ab. Auch verliert der Autor den Faden der Erzählung, obwohl er immer wieder überraschende Rückgriffe in den Verlauf einbaut; es wirkt, als hätte er zu Beginn dieser »Reise« noch kein klares Ziel vor Augen gehabt. Doch mit Lakonie und Skurrilität macht Paasilinna das wett.
Arto Paasilinna: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle | Deutsch von Regine Pirschel
Bastei Lübbe 2012 | 220 Seiten | Jetzt bestellen