Matt Haig: Die MitternachtsbibliothekNora Seed ist am Tiefpunkt ihres Lebens angekommen. Sie sitzt ganz allein in ihrer kleinen Wohnung und kommt zu dem Schluss, dass sie vollkommen überflüssig ist und für niemanden jemals eine Bereicherung darstellen wird. All diese unerfüllten Träume und Sehnsüchte, die wie eine Wagenladung Steine auf ihr lasten: So viele Menschen hat sie enttäuscht, weil sie nicht in der Lage war, deren Träume zu erfüllen (später wird sie erkennen, dass diese falsche Sicht der Dinge ein Teil des Problems ist); ihre eigenen Träume von einem kleinen bisschen Glück, wie auch immer das aussehen mag – alles dahin, alles unerreichbar. Ihre Antidepressiva helfen nicht mehr und als dann auch noch ihre Katze tödlich verunglückt, ist sie für diese Welt endgültig vollkommen irrelevant geworden, niemand braucht sie mehr, sie empfindet sich als Belastung für alle anderen und so nimmt sie sich das Leben.

Als sie im Jenseits wieder aufwacht, wird sie mit zwei Phänomenen konfrontiert: Ihre digitale Armbanduhr zeigt unentwegt 00:00:00 an und vor ihr befindet sich ein Gebäude, das sich als eine riesige Bibliothek entpuppt. Dort trifft sie auf Mrs. Elm, ihre alte Bibliothekarin aus Schultagen, die immer gut zu ihr war und ihr in schweren Zeiten beiseite gestanden hat. Von ihr erfährt sie, dass all diese Bücher die Leben sind, die sie alternativ hätte führen können, und sie lädt sie ein, einige von ihnen auszuprobieren und bei Gefallen im gewählten Leben zu bleiben.

So probiert Nora verschiedene Leben aus und sie lernt, einen anderen Blick auf ihr eigenes sowie auf das Leben an sich zu entwickeln, und irgendwann ändert sich ihre Einstellung. Sie bereut, sich umgebracht zu haben. Sie möchte leben und ein lebenswertes Leben finden und wählen.

Der erste Teil des Buches ist sehr bedrückend. Nora ist ungemein sympathisch und der Leser leidet mit ihr. Wäre sie real, würde man sich wünschen, sie zu kennen und sie von ihrem schrecklichen Vorhaben abzubringen, denn auch wenn sie es zu Beginn des Buches so gar nicht zu erkennen vermag – Nora ist unendlich liebenswert und wertvoll, so wie es wohl die allermeisten Menschen sind, die den Entschluss fassen, Suizid zu begehen.

Ich weiß nicht, ob dieses Buch als Lebenshilfe oder Hoffnung für depressive Menschen funktioniert, da fehlt mir der Einblick, aber ich glaube schon, dass dieses Buch einen positiveren Blick auf das Leben schenken kann, so schwer es manchmal auch ist. »Die Mitternachtsbibliothek« von Matt Haig ist ein äußerst berührendes Buch, geschrieben von einem, der weiß, wovon er redet, denn der Autor hat selbst Erfahrungen mit Depressionen gemacht.

Matt Haig: Die Mitternachtsbibliothek | Deutsch von Sabine Hübner
Droemer Taschenbuch 2023 | 320 Seiten | Jetzt bestellen