Moderne Literatur
Florentine Anders: Die Allee
»Die Allee« von Florentine Anders birgt eine Schatzkiste packender Geschichten in sich. Nicht nur, dass die Autorin das Leben ihres Großvaters und bekannten Architekten Hermann Henselmann sowie seiner großen Familie in den Mittelpunkt stellt. Er beleuchtet auch anschaulich die Baugeschichte über einhundert Jahre hinweg.
Robert Menasse: Die Hauptstadt
Menasse verwebt in »Die Hauptstadt« die einzelnen Stränge seiner Handlung und die Schicksale der Figuren auf kunstvolle Art und führt sie am Ende alle zusammen. Anstatt zu politisieren, präsentiert er wirkungsvolle und vielschichtige Bilder, deren Bedeutung sich rein rational nie ganz entschlüsseln lassen.
Percival Everett: Die Erschütterung
Nach T.C. Boyle, Michael Chabon und Colson Whitehead habe ich für mich in punkto US-Literatur einen neuen Favoriten ausgemacht: Percival Everett. Drei Werke des mehrfach preisgekrönten US-Autors habe ich inzwischen zur Hand genommen, und es war jedes Mal eine andere großartige Leseerfahrung.
Margaret Drabble: Mühlstein
Der Roman »Mühlstein« der hierzulande eher weniger bekannten englischen Schriftstellerin Dame Margaret Drabble von 1965 erschien im vergangenen Jahr in einer neuen Übersetzung. Erzählt wird die Geschichte der jungen Rosamund Stacey, die als Cambridge-Absolventin ebenso kultiviert wie gebildet beschrieben wird.
Wolf Haas: Eigentum
So richtig ein Roman ist »Eigentum« nicht. Das zeichnet die Bücher des Österreichers Wolf Haas ja ohnehin aus, dass sie allesamt von gewöhnlicher Literatur abweichen, und auf »Eigentum« trifft dies noch mehr zu: Es scheint vielmehr eine Fingerübung zu sein, in Sprache, in Textstruktur, in Assoziation und in Psychologie.
Amelia Martin: Die Farben der Wüste
»Die Farben der Wüste« von Amelia Martin ist eine fiktionalisierte Biografie der bedeutenden amerikanischen Malerin Georgia O’Keeffe (1887 – 1986). Wer ein Fan von Kunst und Farben ist, wer Malerei liebt und seine Zeit gerne in Museen, Ausstellungen und Galerien verbringt, dem sei dieser Roman ans Herz gelegt.
Ljudmila Ulitzkaja: Jakobsleiter
Das Buch »Jakobsleiter«, 2017 erschienen im Carl Hanser Verlag München, ist eine russisch-sowjetische Familiensaga. Am Schicksal von Jakow Ossetzki und seiner Enkelin Nora beleuchtet Ljudmila Ulitzkaja große historische Veränderungen und unvorstellbare Brüche in der unmittelbaren Umgebung der beiden Hauptgestalten.
Michael Kumpfmüller: Wir Gespenster
In Kumpfmüllers aktuellen Roman »Wir Gespenster« kann man die Spur zweier Verstorbener verfolgen, die im Jenseits sogar ein Liebespaar werden. Unabhängig vom aktuellen Geschehen in der realen Welt ordnen und durchdenken sie ihr abgelaufenes Leben oder versuchen, es nachzuvollziehen.
Kathrin Aehnlich: Wie Frau Krause die DDR erfand
»Wie Frau Krause die DDR erfand« ist ein Lehrstück, eine Recherchearbeit, ein Wikipediaeintrag, eine Liebeserklärung, eine Selbstermächtigung. Sie ist keine verblendete Ostalgie, keine Verklärung, auch keine Verurteilung, sondern um eine realistische, ausgewogene Darstellung des Alltagslebens bestrebt.
Sasha Filipenko: Die Jagd
Sasha Filipenko, in Belarus geboren, studierte in St. Petersburg Literatur und wohnte bis 2020 dort. Wurde sein Roman »Die Jagd« nach dem Erscheinen in Russland 2016 noch gefeiert, ist er dort inzwischen verboten.
Dirk Bernemann: Kalk
»Kalk« ist ein großes Vergnügen. Ich hatte bereits mit »Schützenfest«, dem letzten Roman von Dirk Bernemann, viel Spaß. Beide Bücher sind trotz aller Düsternis sehr witzig, voller genauer Betrachtungen der menschlichen Natur und überraschender Wendungen.
George Saunders: Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil
»Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil« ist eine gelungene politische Satire, über die man vor zwanzig Jahren sicher noch mehr lachen konnte. Heutzutage erscheinen selbst die absurdesten Passagen nicht mehr unglaubwürdig oder sie wurden schon längst von der Realität übertroffen.
Gijs Wilbrink: Tiere
»Tiere« von Gijs Wilbrink ist ein düsterer Heimatroman mit einer holländischen White-Trash-Familie, die von allen gefürchtet wird. Die »Flodders« waren dagegen geradezu liebenswert, aber hier handelt es sich auch nicht um eine Komödie.
Peter Richter: 89/90
Es braucht ein wenig, um in »89/90« von Peter Richter hineinzufinden, aber wenn es dann erst seinen durch die historischen Ereignisse begründeten und mit Humor garnierten Sog entwickelt, mag man es nicht mehr aus der Hand legen – bis es allerdings, ebenfalls aus historischen Gründen, unbequem, erschütternd und ernüchternd wird.
Dennis Lehane: Sekunden der Gnade
Ein Gerichtsbeschluss lässt die Gemüter der Einwohner*innen von Boston Mitte der Siebziger Jahres des vergangenen Jahrhunderts geradezu überkochen: In Zukunft sollen schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gefahren werden und umgekehrt. Gleichberechtigung heißt das Zauberwort. Doch die wird im weißen Stadtteil Southie als Kampfansage verstanden.
Nele Pollatschek: Kleine Probleme
Der Mensch ist geboren, etwas Großes zu erschaffen. Ob bahnbrechende Erfindungen, Flüge zum Mond, Bestseller-Romane oder Super-Hits – wollen wir nicht alle hoch hinaus? Der Protagonist in Nele Pollatscheks aktuellem Roman »Kleine Probleme« hat dasselbe Ziel. Dabei will er auch noch alles richtig machen.
Sascha Seiler: Bornheim Blues. Jörg Fauser – Ein Essay
Wann habe ich selbst das erste Mal von Jörg Fauser gehört, etwas von ihm gelesen? Ich meine, es war im Frankfurter Social Beat-Magazin »Cocksucker«, irgendwann in den 90er Jahren. Da ging es um »Trotzki, Goethe und das Glück«, und ich lag in einem Braunschweiger Freibad und träumte von der Revolution und davon, ein großer Schriftsteller zu werden.
T.C. Boyle: I Walk Between the Raindrops
T.C. Boyle ist und bleibt ein Meister auf der literarischen Kurzstrecke. Schon seit längerem lese ich seine Short Stories mit größerer Begeisterung als seine Romane. Wobei, fast jede seiner Kurzgeschichten hätte das Potenzial für einen Roman. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, liegt mit »I Walk Between the Raindrops« nicht verkehrt.