Es ist wie ein Reflex. Wenn ich mit einer Packung Arzneimittel aus der Apotheke komme, fahre ich mit den Fingern fasziniert über die perforierten Punktekombinationen, die Blinden den Inhalt erschließt. Dies ist gewiss auch der Bekanntschaft mit dem blinden Bildhauer...
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Renate Bojanowski
Hilmar Klute: Oberkampf
»Es wäre gut, wenn man sein ganzes Leben durchwaschen könnte oder zumindest den ranzig gewordenen Teil davon. Jonas wäre gerne mit dem Stolz des freudig Erwarteten nach Paris gefahren; stattdessen schlich sich plötzlich die Angst vorm Scheitern in seinen Kopf. (...)...
Young-ha Kim: Aufzeichnungen eines Serienmörders
Der Mensch ist ein Häftling, eingekerkert in einem Gefängnis namens Zeit. Ein demenzkranker Mensch ist ein Häftling, eingekerkert in einem Gefängnis, das immer schneller immer kleiner wird. Bis man keine Luft mehr bekommt. (Young-ha Kim in »Aufzeichnungen eines...
Usama Al Shahmani: Im Fallen lernt die Feder fliegen
Auch ich wollte meinem Namen entfliehen. Das Erste, was ich in der Schweiz hasste, war mein Name. Immer diese Fragen. Ich wünschte mir, Julia, Sara oder Mia zu heißen, wie andere Mädchen in der Klasse. Bis heute leide ich darunter, manchmal hängt mein Name wie ein...
Nick Hornby: Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst: Eine Ehe in zehn Sitzungen
Verdammt, wenn man darüber nachdenkt, ist es wie beim Brexit. Wir werden noch zwei volle Jahre verhandeln, bis wir uns darüber einigen können, wo die Probleme überhaupt liegen. (Nick Hornby in »Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst«) Seit seinen ersten beiden...
Gottfried August Bürger, Thomas M. Müller: Münchhausen
Die Geschichten des Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen kennt jeder. Wie er auf einer Kugel durch die Lüfte flog, bei den Türken in Gefangenschaft geriet oder sich selbst mit seinem Pferd am eigenen Zopf aus dem Sumpf zog – seine unglaublichen Abenteuer...
Nele Pollatschek: Dear Oxbridge – Liebesbrief an England
»Die Privilegien der englischen upper class sind so groß, so alt und so mit den persönlichen Biografien verwoben, dass sie ein Mitglied dieser Klasse eigentlich nicht hinterfragen kann, ohne damit seine ganze Identität zu gefährden. Die Grundbedingungen für eine...
Honoré de Balzac: Die Kunst, seine Schulden zu zahlen
Ich erfasste also die große Bedeutung des Kredits und ich habe entdeckt, dass er sich gründet und ruht auf einer einzigen, zwar sonderbaren, aber sehr soliden Methode: dass man nämlich mit unverbrüchlicher Treue niemandem Schulden zahlen soll. (Aus: Honoré de Balzac -...
Maria Nurowska: Briefe aus Katyn
»Sollte mich jemand fragen, was ich vom Leben erwarte, würde ich antworten: Ich will nach meinen eigenen Regeln leben!« (Janina Lewandowska in »Briefe aus Katyn«) Der Haltepunkt Gnezdovo kurz vor der westrussischen Stadt Smolensk war zwischen März und Mai 1940...
Jan Costin Wagner: Sommer bei Nacht
»Ich werde ihn finden. Das hat er nicht nur der Schwester versprochen, es ist auch ein Versprechen, das ihm selbst gilt. Er muss ihn finden. Jannis. Aber vor allem den anderen. Den Entführer, den Täter. Der nicht zu sehen ist, der kommt und geht, ohne aufzufallen,...
Michael Kumpfmüller: Ach, Virginia
»Liebster, ich bin mir sicher, dass ich wieder wahnsinnig werde: Ich habe das Gefühl, dass wir nicht noch eine dieser schrecklichen Zeiten durchmachen können. Und dieses Mal werde ich nicht wieder gesund werden. Ich fange an, Stimmen zu hören, und kann mich nicht...
Raymond Federman: Der Pelz meiner Tante Rachel
»...ich bin ein Literatur-Fußgänger, ich gehe sachte in den Worten spazieren und wenn mir manchmal die Galle hochkommt wegen der dummen Ärsche dann heißt das nicht dass ich keine Hoffnung für die Menschheit habe, auch wenn heutzutage die Menschheit nicht bei guter...
Selma Lagerlöf: Herrn Arnes Schatz
»Das härteste Schicksal eines Menschen, der seines Lebens beraubt wurde, ist es, keinen Frieden zu finden, weil er seinen Mörder verfolgen muss. Und dabei haben die Toten doch nur diesen einen Wunsch: in Frieden ruhen zu dürfen.« Selma Lagerlöfs 1904 erschienene...
Ingrid Noll: Goldschatz
In unserem Freundeskreis wollte man bewusst gegen den Mainstream schwimmen und auf übertrieben Konsum sowie trendige Kleidung verzichten. Bei Smartphone, Computer und Auto wollten wir uns – auch aus finanziellen Gründen – mit Secondhandware begnügen, was...
Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall
»Liebe ist kein Gefühl. Liebe ist keine Romantik Liebe ist eine Tat. Man muss die Liebe vom Ernstfall aus betrachten.« Fünf Frauen, fünf Geschichten, fünf Lebenslinien, die (sich) berühren und hier und da kreuzen. Alle fünf Frauen wurden Mitte der Siebziger Jahre...
Buchgeschichten aus Frankfurt
»Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen«, lautet ein Sprichwort. Geschichten! Wenn man dorthin reist, wo sich die Tradition des Buchhandels mehr als fünfhundert Jahre zurückverfolgen lässt und die Reiseleitung, der man sich anvertraut, selbst einen...
Im Interview: Michael Kumpfmüller
Ich habe die 6. Auflage von »Hampels Fluchten« gelesen. »Durst« und »Nachricht an alle« sind im Theater aufgeführt worden bzw. als Hörspiele erschienen. »Die Herrlichkeit des Lebens« wurde in 24 Sprachen übersetzt. Sehr geehrter Herr Kumpfmüller, wie gehen Sie mit...
»Rotkäppchen raucht auf dem Balkon«
Seit über zwanzig Jahren bin ich die feste »Freie« (wie man so schön im journalistischen Jargon sagt) der Tageszeitung Magdeburger Volksstimme. Sowohl für die überregionale Kulturseite als auch für den Schönebecker Lokalteil durfte ich bisher über viele Konzerte,...