Philipp Blom: Diebe des LichtsAlle dissonanten Akkorde sehnen sich danach, aufgelöst zu werden in eine Harmonie, zurückzukehren zu ihrer Heimat. Unsere Seelen sind solche Akkorde, aber sie können ihre Auflösung hier auf der Erde nicht finden. Es gibt zu viele Dissonanzen, zu viele abrupte Veränderungen, zu viele schwebende Stimmen. So müssen sie unaufgelöst, unerlöst bleiben in ihrer schmerzvollen Dissonanz.

In seinem ersten historischen Roman, 2021 erschienen im Karl Blessing Verlag München, entführt der in Wien lebende deutsche Schriftsteller, Historiker, Journalist und Übersetzer Philipp Blom seine Leser*Innen in das 16. Jahrhundert. Einem bildenden Künstler gleich entwirft er ein opulentes Bild während der Zeit der großen italienischen Renaissance-Maler.

Zunächst wähnt man sich im Jahr 1572 in einem Dorf in den Spanischen Niederlanden, das von rücksichtslosen, gewalttätigen Soldaten überfallen wird. Zwei kleine Brüder müssen die Ermordung ihres Vaters mit ansehen. Die beiden retten sich anschließend in den Wald. Der jüngere ist seit dem traumatischen Blutbad verstummt. Auch wenn er sich meistens ruhig und unauffällig verhält, schlummert in ihm genügend Gewalt, um jemanden zu töten.

Als Waisen begeben sich die beiden Brüder auf Wanderschaft, die sie nach Rom führt. Nach 27 Jahren ist Sander (der ältere von Beiden) ein hochbegabter Maler. Erst arbeiten die Geschwister in einer Druckerei, dann werden sie in einem Atelier mit den Geheimnissen der Farben und der Malerei vertraut. Sander spezialisiert sich auf Pflanzen- und Blumenmalerei und kann seine Kenntnisse in der Werkstatt des römischen Malers Virgilio Nobili vertiefen. Sein jüngerer Bruder Hugo dient als sein Gehilfe und mischt zuverlässig die Farben an.

Bei Nobili lernt Sander auch die Tochter des Malers kennen und verliebt sich in sie. Diese Liebe endet mit einem Schicksalsschlag für Sander. Der Weg der Brüder führt gezwungenermaßen weiter nach Neapel und Palermo. Sander begegnet Menschen wie Giordano Bruno und Caravaggio. Auch hier nimmt man teil an seinen Liebesverwicklungen und wird Zeuge von Intrigen und Tod.

Sander wird Berater eines spanischen Kardinals und erhält tiefe Einblicke in die Machenschaften nebulöser, gewissenloser Kirchensekretäre und scheinheiligen Kirchenoberhäuptern. Die mörderischen Tentakel der katholischen Inquisition hinterlassen überall ihr Gift. Der Protagonist der spannenden Geschichte deckt Verbrechen auf, versucht gesellschaftliche Außenseiter*Innen zu schützen und ruft dadurch auch Feinde auf den Plan.

Methaphernreich und atmosphärisch lässt Philipp Blom die Leser*In an all den Grausamkeiten teilhaben, Schmerzen und Leid mitertragen und in Städte voller Abfall schauen. Besonders farbenprächtig webt der Autor den Teppich der Kunst, auf dem sich sein Held allen Herausforderungen stellt.

War ich einmal tief in Sanders Welt eingetaucht, fand ich schwer wieder heraus. Siegte doch einmal die Müdigkeit, haderte ich mit dem Wiedereinstieg. Dass ich so um Sanders Wohlergehen gebangt habe, wirft die Frage auf, wie nah uns die Figuren von einst sind. Reflektiert die Geschichte die Gegenwart?

Am Ende wird Sander vom Schicksal zu einer Entscheidung gezwungen, die unfassbar schwerwiegend ist. Tagelang habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob und wie ich eine solche Situation gemeistert hätte.

Philipp Blom: Diebe des Lichts | Deutsch
Blessing 2021 | 478 Seiten | Jetzt bestellen