Daniela Krien: Der Brand»Satte Zeiten bringen schwache Menschen hervor.«

In einem Interview sagte die Autorin Daniela Krien einmal, dass ihre Helden keine Gewinner seien. In ihrem aktuellen Buch »Der Brand«, das im Juli letzten Jahres im Diogenes Verlag erschien, stehen erneut Figuren im Mittelpunkt, die es im Leben weniger leicht haben. Abermals gelingt es der Autorin, die Gedanken und Gefühle ihrer Protagonisten klar zu verdeutlichen.

Das Ehepaar Rahel und Peter lebt in Dresden und schaut auf dreißig Ehejahre zurück. Sie ist Psychologin, er Germanistikprofessor. Das Paar hatte einen Urlaub in den Ammergauer Alpen geplant. Kurz vor Reiseantritt erreicht sie die Nachricht, dass ihre Ferienwohnung abgebrannt ist. Der Zufall hilft mit, dass Rahel die Urlaubspläne spontan eigenständig ändert. Als ihre Freundin Ruth anruft und Rahel und Peter bittet, ihren leicht heruntergekommenen Hof in der Uckermark während ihrer Abwesenheit zu hüten, willigt sie ein.

Die drei Wochen, die das Ehepaar dort verbringt, fördern nach und nach ihre Probleme ans Tageslicht.Warum begehrt Peter Rahel nicht mehr? Wie kam es dazu, dass er sich so einigelt?

Rahel quälen die Wechseljahre. Ihren Körper bezeichnet sie als »launische Diva«. Peter ist sehr autark, braucht keinen Konsum, schaut sogar manchmal etwas überheblich darauf. In seinen feinen Humor von einst nistet sich nun öfter Zynismus ein. Ihre lebhaften Gespräche sind vornehmem Taktgefühl gewichen. »Die Summe des Nichtgesagten ist größer als die Summe des Ausgesprochenen.« Es ist langweilig geworden, weil die Lust, Dinge zu besprechen, verloren ging. Rahel will sich der Situation stellen und hat den neuen Urlaubsort bewusst gewählt, damit ihr Mann wieder mit ihr redet.

Zu den persönlichen Problemen der beiden Hauptfiguren gesellen sich auch gesellschaftliche Konflikte. Als Literaturlehrer an der Dresdner Universität hat Peter eine Studentin, die als nicht-binäre Person angesprochen werden möchte. Als er darauf ungeschickt reagiert, konfrontieren ihn die sozialen Medien mit einem Shitstorm. Eine überregionale Zeitung beschreibt ihn als typischen Ostdeutschen. Peter könne nicht frei und fortschrittlich denken. Für Peter ein hartes Urteil, hat er sich doch lediglich das Recht herausgenommen, dass ihn die Geschlechtsidentität seiner Studentin nicht interessierte. Mit dem medialen Gezeter kann er ebenso wenig umgehen wie mit dem Unverständnis seiner Frau. Er flüchtet zu den Pferden und seinen Büchern.

Über dem scheinbar Belanglosen liegt eine bedrückende Spannung. Nüchtern, knapp und sachlich richtet Daniela Krien ihren Spot auf das, was in einem so langen Ehe- und Familienleben unter den Teppich gekehrt wurde. Daniela Krien hält ihre Sprache absichtlich schlicht und lässt die Leser*innen die innere Zerrissenheit ihrer Helden spüren. Mit der Suche nach Rahels Vater berührt Daniela Krien Lebensnotwendiges, ohne es weiter auszubreiten. Stattdessen spürt sie einfühlsam den Veränderungen der Körper- und Gefühlswahrnehmungen nach und stärkt ihre Figuren gegen das vermeintlich Ausweglose. Das überstrahlt das traurige Ende ebenso wie die gedankliche Brücke zu ihrem Roman von 2011 »Irgendwann werden wir uns alles erzählen«.

Daniela Krien: Der Brand | Deutsch
Diogenes 2021 | 272 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen