Ein schwarze Fischaugenlinse, befestigt am Hauptbalken, eine Halbkugel von drei Zentimetern Durchmesser, Gläsern, wie nichts sonst hier, unbelebt und stumm. Beobachtete ihn jemand? Und sollte ihn das beunruhigen?
Jack hat auf der exklusiven Kingfisher-Lodge in der Wildnis Colorados einen Job als Guide für prominente und wohlhabende Gäste angenommen. Der Romanheld aus der 2019 erschienenen Outdoor-Geschichte »Der Fluss« des amerikanischen Journalisten und Schriftstellers Peter Heller will zu den damaligen traumatischen Erlebnissen weiter Abstand gewinnen und scheint hier bis zum Beginn des Winters eine gut bezahlte Abwechslung gefunden zu haben. Hellers aktuelles Buch »Die Lodge«, erschienen bei Nagel & Kimche, liest sich gut als Fortsetzung, kann jedoch auch unabhängig von »Der Fluss« rezipiert werden. Es wurde von Marlene Fleißig aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen.
Das mysteriös abgeschlossene Gebiet der Lodge beunruhigt Jack von Beginn an. Er muss seine private Waffe abgeben und benötigt auch zum Verlassen der Lodge einen Code. Auf dem angrenzenden Nachbargrundstück wohnt ein schießwütiger Zeitgenosse, der beim verbotenen Betreten seines Terrains sofort zur Waffe greift. Auf einem anderen Grundstück laufen Hunde der Rasse »Mastiff« frei herum. Als Jack zum ersten Mal angeln und die Gegend erkunden will, wird er von einer Kamera beobachtet, die er unter einer Brücke entdeckt.
Jack ist ein versierter Fliegenfischer und wird der Sängerin Alison zugeteilt. Beide verstehen sich von Beginn an gut und entwickeln mehr als Sympathie füreinander. Sie verbringen viele Stunden am Tag beim gemeinsamen Angeln im Fluss und verstehen sich ohne viele Worte. Als schließlich auf Jack geschossen wird, versuchen beide, hinter das Rätsel der Ferienunterkünfte zu kommen. Auf welche Weise und warum ist sein Vorgänger verschwunden? Welche Heimlichkeiten verbergen die anderen Gäste? Welchem Zweck dient die Videoüberwachung? Welche Rolle spielt der Manager Kurt? Beim Ausforschen der merkwürdigen Geschehnisse auf dem Nachbargrundstück begeben sich Jack und Alison ununterbrochen in gefährliche Situationen, bis sich die Ereignisse immer mehr zuspitzen und regelrecht überschlagen.
Peter Heller spannt den Bogen in seinem Roman von der friedvollen Anglerszenerie bis hin zum Thriller-Konstrukt in Cowboy-Manier (eindrucksvolle Kulisse – ein von Grund auf amerikanischer Protagonist – üble Machenschaften). Auch wenn einem die Handlung und das Verhalten der Protagonisten hier und da inkonsequent erscheint, hat man Spaß beim Lesen dieser Geschichte. Der Autor versteht es, Spannung aufzubauen. Wer tief eintauchen will, strandet wohlmöglich am abgenutzten Verschwörungsnarrativ, das Heller in Jacks zweitem Abenteuer bedient. Wer einfache, spannende Unterhaltung mit etwas Nervenkitzel sucht, wird seine Freude haben.
Peter Heller: Die Lodge | Deutsch von Marlene Fleißig
Nagel & Kimche 2022 | 272 Seiten | Jetzt bestellen