Susanne Thomas: In Zeiten des Tulpenwahns»Die Kraft der Vorstellung! Das ist es, was der Mensch der einfachen Kreatur voraushat, Grietje. Die Schönheit, die wir sehen, entsteht auch in unserem Kopf.«

Ehrlich gesagt, habe ich von dem gewaltigen Ansturm, den es vor rund 400 Jahren in den Niederlanden auf Tulpen gab, noch nie etwas gehört. Das liegt auch daran, dass mich die Finanzentwicklung an der Börse bis jetzt eher wenig interessiert hat. Deswegen war es auch kein Zufall, wie der Roman von Susanne Thomas »In Zeiten des Tulpenwahns«, im vergangenen Jahr erschienen im Ruhland-Verlag, den Weg zu mir fand. Neuland zu betreten, lohnt sich!

Auf einem kleinen Zettel wünscht die Autorin mir Freude beim Lesen. Die schlich sich leise und ganz unbemerkt ein, so, wie Susanne Thomas die Leser*in mit ruhigem, unaufgeregtem Erzählstil durch die Geschichte führt. Man erfährt Wissenswertes über die Tulpenmanie und wie es der wohlhabenden Oberschicht des niederländischen Königreiches gelang, von ihren Gärtnern immer neue und spektakulärere Farben der heiß begehrten Blumen zu züchten. Gespannt verfolgt man, wie der rege Handel mit den Tulpenzwiebeln entstand und deren Preise in kürzester Zeit explodierten.

Im Februar 1637 platzte die erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte und der Markt brach schlagartig zusammen. Viele Händler verloren daraufhin ihre Lebensgrundlage, weil sie in die Tulpe als sichere Wertanlage investiert hatten. Einer von ihnen ist Susanne Thomas‘ Protagonist Nicolaes Verbeeck. Für den bei einer Adelsfamilie in Haarlem angestellten Gärtner sind Tulpen himmlische Geschenke der Natur und beweisen die Existenz Gottes. Deshalb lehnt er den maßlosen Handel an der Börse zunächst ab.

Seine Tochter Margriet ist im heiratsfähigen Alter und hat sich in den jungen adligen Frans verliebt. Nicolaes will seine einzige Tochter glücklich sehen und alles unternehmen, was für eine standesübergreifende Hochzeit entsprechend des damaligen Brauchs erforderlich ist. Doch für eine reiche Mitgift fehlt ihm das Geld. Infolgedessen lässt er sich gegen seine Bedenken trotzdem auf den Handel mit den Tulpenzwiebeln ein. Doch wie will er ohne Kenntnisse über den Wirtschaftsmarkt für die Brautausstattung seiner Tochter sorgen? Der Krug geht bekanntlich so lange zum Brunnen, bis er bricht. Davor schützt auch das ruhige Fahrwasser nicht, in dem sich dieser Roman bewegt. Nicolaes Unternehmungen münden in eine Katastrophe.

Schön, wie Susanne Thomas es gelingt, mit Hilfe ihrer atmosphärischen Ausstattung und einfühlsamen Entfaltung der Charaktere die Leser*in an das Geschehen zu binden. Beispielgebend für die gute Figurenentwicklung ist die Person von Jacques Duchamps. Man begegnet ihm in einem zweiten Handlungsstrang und verfolgt, wie er sich vom armen Hugenotten-Flüchtlingskind zum hohen Würdenträger der niederländischen Verwaltung entwickelt und mit einer perfiden Intrige an seinen jahrelangen Peinigern rächt. Vor dem Hintergrund dieser menschlichen Abgründe und dem ahnungsvollen Zusammenhang zwischen der dramatischen Geschichte des Gärtners Nicolaes Verbeeck, seiner Tochter Margriet und Jacques Duchamps beschleicht die Leser*in ein beklemmendes Gefühl.

Mit diesem bewegenden Roman ist Susanne Thomas ein vielschichtiges Bild über eine Zeit gelungen, in der Menschen über Blumen stürzten.

Susanne Thomas: In Zeiten des Tulpenwahns | Deutsch
Ruhland 2021 | 234 Seiten | Jetzt bestellen