Christopher Brookmyre: Wer andern eine Bombe bautFür Thriller und Krimi-Literatur sind hier in der Regel Andreas und manchmal auch Detlef im Einsatz. Meine Wenigkeit verirrt sich nur gelegentlich in eines dieser Genres. Beim schottischen Autor Christopher Brookmyre mache ich gerne eine Ausnahme, seit mir im Herbst 2014 sein »Angriff der unsinkbaren Gummienten« in die Hände fiel.

Was mir an Brookmyres Büchern gefällt, ist zunächst einmal natürlich sein schwarzer Humor, der zuweilen pythnonesk daherkommt, manchmal – mit viel Situationskomik – aber auch an die Geschichten von Tom Sharpe erinnert. Vor allem jedoch, und das lässt sich schwerer in eine Schublade packen, mag ich die wütende Gesellschaftskritik, die er geschickt in die Köpfe seiner Protagonisten stopft.

Und so beginnt auch sein neuester Roman »Wer andern eine Bombe baut« (Orig.: A Big Boy Did It And Ran Away) weniger wie ein Krimi oder Thriller, als vielmehr wie ein großartiger Rant auf die heutige Konsumgesellschaft, darauf, dass wir alle »armselige Vorstadtsklaven« sind, materialistisch, egozentrisch, karrieregeil, letzten Endes gefangen in der Geschäftswelt großer Konzerne.

Gerade hing ihm so einer auf der Stoßstange, ließ die Lichthupe seines MX3 aufblitzen, riss dazu die Augen auf und schnaubte. Was für ein Pfosten! Riskierte sein Leben bei einem Überholmanöver kurz vor dem Ende der Kriechspur, damit er eine Stelle – eine Stelle – weiter vorne an der Ampel stand. Was sagte einem das über das Leben, das er da gerade riskierte?

Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte Brookmyre bis zur letzten Seites seines Buches so weiterzetern können und ich hätte es einem Ehrenplatz in meinem Regal zugeteilt. Aber irgendwann beginnt dann doch die Geschichte, die er erzählen will, und es wird klar: Die einleitenden Schimpftiraden sind der Figur Simon Darcourt zuzuordnen. Sein ehemaliger Freund Raymond Ash sichtet ihn eines Tages am Flughafen, doch das kann eigentlich nicht sein. Denn Simon ist seit drei Jahren tot, ums Leben gekommen bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz in Norwegen.

Es ist eine Begegnung mit Folgen, insbesondere für Raymond. Er gerät in das Visier von Profikillern. Anfangs kann er sich dies nicht erklären, doch schon bald stellt sich heraus, dass es einen Zusammenhang geben muss zwischen der Begegnung mit dem vermeintlich toten Simon, den Attacken auf seine Person und einer Serie von monströsen Anschlägen in der ganzen Welt, geplant und ausgeführt von einem geheimnisvollen Auftragsterroristen namens »Black Spirit«.

Raymond war früher Schlagzeuger in einer Band und versuchte jahrelang als Computerspiel-Experte sein Glück. Als junger Familienvater sieht er sich jedoch gezwungen, in den ungeliebten Lehrerberuf zu wechseln. Als er in der Schule, in der er arbeitet, eines Tages spurlos verschwindet und mit ihm zwei seiner Schüler, ist das Buch endgültig in der Genreliteratur angekommen. Die Polizistin Angelique de Xavia wird auf den Fall angesetzt. Den vermissten Raymond macht sie schon bald ausfindig. Gemeinsam versuchen sie nun, die Rätsel um Simon Darcourt und einen weiteren von »Black Spirit« geplanten Anschlag auf die Spur zu kommen.

In detaillierten Rückblicken arbeitet Brookmyre die Biografien seiner Figuren auf und macht ihr Verhalten Seite für Seite nachvollziehbarer. Immer wieder gibt er seiner Geschichte auf überraschende Weise einen neuen Verlauf. Spannend und unterhaltsam bleibt sie so bis zum Schluss, zumal er sie mit viel Rock’n’Roll und Elementen aus der Welt der Gamer garniert. Thriller- und Krimifans werden ihre Freude daran haben. Meine Freude an dem Buch wäre noch größer gewesen, hätte Brookmyre es so wirkungsvoll fortgeführt und beendet, wie er es begonnen hat. Es wäre dann allerdings auch ein ganz anderes Buch geworden.

Christopher Brookmyre: Wer andern eine Bombe baut | Deutsch von Hannes Meyer
Galiani 2018 | 512 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen