Im Jahr 2071 sind Zeitreisen etwas Alltägliches. Das Paradox-Hotel liegt neben dem Einstein-Zeitflughafen. Liquide Kunden können dort gegen Bezahlung beispielsweise die erste Aufführung von Hamlet besuchen, den Wilden Westen erleben oder historische Ereignisse beobachten. Trotzdem reichen die Einkünfte nicht, um die Zeitreisen gewinnbringend zu finanzieren, weshalb man die Technologie nun zu privatisieren plant. Es gibt vier Bieter, die das Paradox-Hotel bei einer Auktion erwerben möchten.
Der Zeitreise-Tourismus bringt immer wieder Probleme mit sich. Nicht alle Gäste beschränken sich auf die Rolle als stiller Beobachter. So mancher möchte korrigierend in die Geschichte eingreifen – oder was sie dafür halten. So plant eine junge Frau an Bord der Titanic zu gehen und den Kapitän vor dem Eisberg zu warnen, um Rose und Jack zu retten. Wie unberechenbar die Zeit ist, zeigt sich dagegen am Beispiel von drei geschmuggelten Dino-Eiern, die sich im Hotel rasend schnell zu ausgewachsenen Dinosauriern entwickeln und außer Kontrolle geraten.
In solchen Fällen wird Sicherheitschefin January Cole aktiv. Unterstützt von der vorlauten Drohne Ruby sorgt sie für Ruhe und Ordnung im Hotel. Als ehemalige Regierungsagentin der Zeitvollzugsbehörde (ZVB) hat Jan lange über den Zeitstrom gewacht und ist zu allen möglichen Stationen in der Vergangenheit gereist. Dies hatte allerdings Folgen für sie. Sie leidet am Drift, der immer wieder Flashbacks aus der Vergangenheit oder Visionen der näheren Zukunft in ihre Wahrnehmung mischt und sie aus der aktuellen Realität drängt.
Er trägt einen anderen Anzug als vorhin, als er mich ansieht, wirkt er irgendwie noch wütender als zuvor. Seine silberne Krawattennadel blitzt kurz auf, als er eine Waffe unter seinem Sakko hervorzieht, sie auf meinen Kopf richtet und abdrückt.
An dem Zucken in meinem Gehirn erkenn ich, dass das ein Drift ist.
Ich weiß, dass dieser Zeitpunkt noch in der Zukunft liegt.
Ich weiß, dass er mich nicht wirklich erschossen hat.
Aber er wird es tun. Ich weiß nur nicht, wann.
Alles in allem nicht sehr beruhigend.
Trotz des Zeitreiseaspektes handelt es sich bei »Paradox Hotel« eher um einen Krimi als um einen Science-Fiction-Roman, aber Hart gelingt es, das Beste beider Welten miteinander zu verbinden. Der Handlungsort ist auf ein Hotel begrenzt, in dem die Tat stattfindet und der Mörder gefasst werden muss. Geradezu klassisch. Gleichzeitig kann man zu jedem Ort zu jedem Zeitpunkt in der Geschichte reisen. Und neben der Mörderjagd bietet die Zukunftsperspektive dem Autor noch jede Menge Möglichkeiten sich kritisch mit der heutigen Gegenwart auseinanderzusetzen.
Dazu noch eine kaltschnäuzige Heldin, die keines der üblichen traumatischen Erlebnisse aus der Rumpelkiste der Krimi-Klischees zu bewältigen hat, sondern mit einem wirklich faszinierenden Handicap kämpfen muss. Ein spannender und origineller Genre-Zwitter, der beide Genres um eine interessante Variante bereichert.
Rob Hart erlangte Bekanntheit mit seiner bösen Amazon-Satire »Der Store« und legte mit drei Krimis um den Privatdetektiv Ash McKenna nach, wobei die beiden Fortsetzungen von »Knock-out in New York« lediglich als E-Book erschienen sind.
Rob Hart: Paradox Hotel | Deutsch von Michael Pfingstl
Heyne 2022 | 448 Seiten | Jetzt bestellen