Willkommen in Moberly, einem kleinen Kaff in Kentucky. Die in diesem Buch versammelten zehn Geschichten werfen ihr Schlaglicht auf zehn verschiedene Einwohner dieser kleinen Stadt, denen allen eines gemeinsam ist: sie alle leiden an einer Form von Einsamkeit, die sich auf unterschiedliche Art und Weise manifestiert, sei es durch den Wunsch, diesem trostlosen Ort den Rücken zu kehren oder durch das verzweifelte Verlangen, den Menschen (wieder) zu finden, der dem eigenen Leben Wärme (zurück) gibt. Sie sind wie Goldfische im Glas, diese herzzerreißend sympathischen Antihelden, sie treten auf der Stelle, und wie die Beschaffenheit eines Glases halten ihre Probleme und Sehnsüchte sie vom wirklichen Leben fern. Manche Textstelle rührt zu Tränen und den Leser durchflutet das Bedürfnis, alle diese Figuren zu umarmen, sie feste zu drücken und ihnen ins Ohr zu flüstern: »Irgendwann wird es gut.«
Beispielhaft sei hier Matt genannt, der aufgrund ungünstiger Wetterbedingungen eine Nacht im Hotel verbringen muss und sich aufgrund seines ereignisarmen Lebens dies schon als ein außerordentlich aufregendes Ereignis zusammenfantasiert. Nach der Scheidung von seiner Frau darf er seinen geliebten Sohn nur jedes zweite Wochenende und Mittwochsabends sehen, was genau so an ihm nagt wie die Tatsache, dass Familienurlaube endgültig der Vergangenheit angehören. Und so versucht er das Beste aus dieser einsamen Nacht zu machen, ausgerüstet mit einem Zwölferpack Flaschenbier und in der Stimmung für ein kleines Techtelmechtel, ein Verlangen, das sich mit der Anzahl der verdrückten Flaschen stetig steigert. Vielleicht dämpft der Alkohol aber auch einfach nur die Verzweiflung und die realistische Wahrnehmung des eigenen, nicht sonderlich ansehnlichen Körpers. Die weibliche Auswahl am Pool sorgt dafür, dass er seinen ganzen Mut zusammen nimmt…
»I know it‘s going to happen for you someday« ist ein Roman in Kurzgeschichtenform. Die Erzählungen sind lose miteinander verbunden, da manche Protagonisten in einer anderen Geschichte wieder auftauchen, und sei es auch nur als Randfiguren. Durch diesen schriftstellerischen Kniff werden die Texte zusammengehalten und das Gefühl verstärkt, das Kaleidoskop eines realen Städtchens zu betrachten, in dem alles irgendwie zusammenhängt. Das literarische Vorbild von Moberly ist natürlich »Winesburg, Ohio«, der amerikanische Klassiker von Sherwood Anderson. Während in Andersons Buch die Tristesse einhergeht mit Auswegslosigkeit, Ratlosigkeit und Resignation sind bei Goebel die Erzählungen vom typischen unterschwelligen Humor durchdrungen, der allen seinen Büchern zu eigen ist.
Ich will auch nicht verschweigen, dass ich mit einer der Geschichten so meine Probleme hatte (»Bubbles«), erst das Ende der Erzählung hat mich mit ihr versöhnt, und so kann man nur zu dem Schluss kommen, dass »Irgendwann wird es gut« ein – wieder einmal – großartiges Werk des Autors ist. Die hier versammelten Figuren agieren in der Tradition von Luster (»Freaks«), Blue Jean Mapother (»Heartland«) und dem titelgebenden Protagonisten aus »Vincent« und sind typische goebelsche vom Leben Gebeutelte, die unermüdlich versuchen, sich aus dem Treibsand ihrer Existenz zu befreien. Man kann sie einfach nur gern haben und vergisst sie nicht mehr.
Was ist die Moral, die Botschaft diese Buches? Glück ist, jemanden zu haben, der die Leere im eigenen Leben füllt. Glück ist auch, ein Buch von Joey Goebel lesen zu dürfen.
Joey Goebel: Irgendwann wird es gut | Deutsch von Hans M. Herzog
Diogenes 2019 | 320 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen