Im Jahre des Herrn 1634 begibt sich eine Schiffsflotte der niederländischen Ostindien-Kompanie auf den gefahrvollen Seeweg von Batavia nach Amsterdam. Unter der seemännischen Führung ihres Kapitäns Adrian Crauwels sowie der geschäftlichen Führung des machtgierigen Generalgouverneurs Jan Haan macht sich die »Saardam« samt Nebenschiffen auf den langen und gefahrvollen Weg.
Ziel ist es, die vielfältigen Güter sicher in die Niederlande zu bringen, denn daran wird der Erfolg dieser Reise gemessen werden. Allerdings hat Haan noch eine weitere – geheimnisumwitterte – Fracht an Bord, die sogenannte »Phantasterei«. Diese soll ihm zu seinem größten machtpolitischen Triumph verhelfen. Die Fahrt steht jedoch unter einem denkbar schlechten Stern, denn unheilige Mächte drohen seine Pläne zu vereiteln: an Bord der »Saardam« treibt offenbar ein Teufel, der von der abergläubischen Besatzung der »alte Tom« genannt wird, sein Unwesen. Ein Unglücksfall reiht sich an den nächsten und früh wird klar, dass viele der sich an Bord befindlichen Personen diese Reise nicht überleben werden …
Auf dem Schiff befindet sich auch eine Art Sherlock Holmes-Duo des 17. Jahrhunderts: der geniale Ermittler Samuel Pipps und sein Kompagnon Arent Hayes, ein muskelbepackter Hüne mit edlem Gemüt. Aus zunächst unerfindlichen Gründen ist Pipps jedoch dermaßen in Ungnade gefallen, dass er die Überfahrt als Gefangener in einer Zelle verbringen muss und so seine Genialität nur bedingt zur Lösung des Rätsels einsetzen kann. Zum Glück versorgen ihn Arent und die ihm Wohlgesonnenen mit Informationen, sodass er in seinem dunklen, dreckigen Loch trotzdem nach und nach die Puzzlestücke zusammensetzen kann.
Stuart Turton hat die »Saardam« mit einer Vielzahl interessanter (und oft auch sehr zwielichtiger) Charaktere bestückt. Neben den bereits erwähnten gibt es da zum Beispiel den Prädikanten Sander Kers nebst Mündel Isabel, der den Geistlichen des Schiffes repräsentiert und den Matrosen auf Deck predigt. Undurchsichtig geben sich die leitenden Offiziere, wie der erste Offizier Isaack Larme oder der oberste Handelsoffizier Reynier van Schooten. Ständig hat man das Gefühl, dass nichts wirklich so ist, wie es scheint, und je weiter die Geschichte fortschreitet, desto mehr Geheimnisse werden aufgedeckt.
Zumindest bei Gestalten wie dem sadistischen Hochbootsmann Johannes Wyck scheint keinerlei Zweifel über deren niedere Gesinnung zu herrschen. Zum Glück können Samuel und Arent sich auf die Unterstützung von Sara Wessel, der unglücklichen Ehefrau Jan Haans, sowie deren Tochter Lia Jan und auf Creesije Jens, Haans Konkubine, verlassen. Hilfe, die die beiden auch bitter nötig haben, um die vielen Rätsel, welche in der Bedrohung durch den alten Tom ihren Höhepunkt finden, zu lösen.
Stuart Turtons zweiter Streich nach seinem Debütroman »Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle« ist ebenfalls gelungen. Schnell wird der Leser in die seltsamen Vorkommnisse rund um die »Saardam« gezogen und brütet mit den Protagonisten über der Auflösung der unheimlichen Ereignisse. Eine Schiffskarte, die die Lage der einzelnen Räume und wichtigsten Örtlichkeiten des Schiffes sowie die Kabinenbelegung skizziert, hilft sehr beim gedanklichen Durchwandern der »Saardam«. Der Klabautermann dürfte an diesem Schmöker seine reine Freude haben.
Stuart Turton: Der Tod und das dunkle Meer | Deutsch von Dorothee Merkel
Tropen 2021 | 608 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen