
Am 7. April sitzt Trig auf demselben Stuhl im Zeitschriftensaal und starrt auf den Aufmacher der gestrigen Sonntagsausgabe. Die Schlagzeile teilt nicht einfach etwas mit, sie schreit es hinaus. BUCKEYE-BRANDON: WAR ERMORDE¬TER GEFÄNGNISINSASSE UNSCHULDIG? Trig hat den Artikel dreimal gelesen und sich ebenso oft den Podcast von Buckeye-Brandon angehört. Der selbst ernannte »Outlaw der Ätherwellen« hat die Story als Erster gebracht, und laut ihm kann von einem Fragezeichen keine Rede sein. Ob die Sache stimmt? Angesichts der Quelle wird das wohl so sein, denkt Trig.
Was du da vorhast, ist völlig irre, sagt er sich. Was auch zutrifft.
Ein anonymes Schreiben kündigt eine Mordserie an. Die unschuldigen Opfer sollen für einen Justizirrtum büßen, an dem sie überhaupt nicht beteiligt waren. Sie müssen stellvertretend für die Verantwortlichen sterben. Detective Izzy Jaynes zieht die Privatermittlerin Holly Gibney als Hilfe zu dem Fall hinzu.
Dabei hat Holly gerade einen Auftrag als Personenschützerin übernommen. Die Feministin Kate McKay ist mit ihrer neuen Assistentin Cory auf Städtetour. Sie spricht vor Publikum über Gewalt gegen Frauen, über Selbstbestimmung, Unterdrückung und das Recht auf Abtreibung. Sie ist zu einer Gallionsfigur für Frauenrechte geworden, aber auch zum Feindbild für einige, die sie als »Babymörderin« bezeichnen und als »Emanze, die die Frauen gegen ihre Ehemänner aufwiegelt«. Drohungen ist Kate bereits in jeder Form gewöhnt, aber dann werden Anschläge auf sie verübt.
Die Rachemorde treten nach dem Beginn des Romans schnell in den Hintergrund, aber das ist nicht zum Schaden des Buches, denn King hat mehrere Asse im Ärmel. Der Leser lernt eine Menge Figuren kennen und ahnt früh, wie sich alles zusammenfügen wird, aber das ist keine Vorhersehbarkeit, sondern eher ein Versprechen an die Leser, welches Vergnügen sie noch erwartet. Und darüber hinaus gelingen King noch weitere gelungene Haken in der Handlung.
Stephen King hat sich eine Serienheldin erschaffen, die er oft und gerne einsetzt. In den früheren Holly-Gibney-Büchern war ihre detektivische Genialität oft genug reine Behauptung ohne Belege. Dieses Mal sind ihre Kombinationen wesentlich nachvollziehbarer geschildert. Rund um Holly ist ein fester Personenstamm entstanden. Dadurch wird die Handlung gelegentlich etwas soapig.
»Kein Zurück« ist kein großer Wurf in Kings Werk, aber eine solide Serienfolge in der Holly-Gibney-Reihe. Wie schon im Vorgänger »Holly« reißen es die Bösewichte heraus. Vor allem, da sie sich nicht für die Bösen halten, sondern sich selbst als Helden und Retter betrachten.
Der Frauenhass, die Selbstgerechtigkeit, die Verblendung, die Bigotterie und der Machtmissbrauch organisierter Religion in kleinen Gemeinden, King braucht keine großen Verschwörungen und mächtige Geheimbünde, ihm reichen die Abgründe gewöhnlicher Menschen um wahres Grauen zu zeigen. Seine erschreckendsten Monster waren schon immer die wahnhaften Leute von nebenan.
Hörbuch:
Stephen King: Kein Zurück | Deutsch von Bernhard Kleinschmidt
Gelesen von David Nathan | Dauer: 19:09 Std.
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Hardcover:
Stephen King: Kein Zurück
Heyne 2025 | 640 Seiten | Jetzt bestellen
