Craig S. Zahler: Wie Schatten über totem LandSuppe, die nach Knoblauch, Schimmel und verrottetem Hühnchen schmeckte, floss der Frau über die Kehle und in den Magen. Sie wollte aufschreien, aber stattdessen spritzte sie saure Brühe durch ihre Nasenlöcher.

»Bueno.«

Der Mann mit der Holznase pumpte einen weiteren Schwall Suppe in sie, sah ihr beim Schlucken zu, zog den Schlauch aus ihr heraus und begann, ihn um den Behälter herum aufzuwickeln. »Du brauchst schlafen. In drei Tagen ist große Fiesta. Du hast muy wichtige Kunden und Boss will …«

»Besorg mir Medizin«, verlangte die Frau.

»Keine Medizin mehr. Sie macht dich krank. Kunden beschweren sich, du hast kalte Hände und Haare fällt dir aus.«

Mexiko 1899. Zwei Schwestern wurden entführt und werden in einem mexikanischen Höhlen-Bordell zur Prostitution gezwungen. Sieben Männer sind aufgebrochen, die beiden Mädchen aus dieser Hölle zu befreien. Die Rettungsmannschaft besteht aus dem Vater der Entführten, ihren beiden Brüdern, einem alternden Revolverhelden, einem Indianer und dem schwarzen Koch der Familie. Sie engagieren einen kultivierten Dandy, der als Übersetzer dient und als Kunde Zugang zu dem exklusiven Bordell erlangen soll. Sie finden die beiden Mädchen tatsächlich in den Katakomben, doch heraus zu kommen ist nicht so einfach wie hinein.

Der Roman ist nichts für empfindliche Leser. In Hollywood-Western geht es trotz der oft beschworenen Gesetzlosigkeit doch immer recht gesittet zu. In diesem Buch ist das nicht so. Es hat wenig mit klassischen Kino-Western oder Wildwest-Romanen zu tun. Es gibt keine Regeln, keinen Anstand und keine Ehre. Der Roman ist roh, brutal und erbarmungslos. Jeder Funken Hoffnung wird sofort im Keim erstickt. Die alte Weisheit, dass Gewalt stets Gegengewalt erzeugt, wird hier geradezu exemplarisch vorgeführt.

Die Brutalität des Romans macht einem als Leser wirklich zu schaffen. Nicht deren detaillierte Beschreibung, sondern die Überraschung, mit der sie ausbrechen und zuschlagen kann. Es ist schon erstaunlich, was der menschliche Geist und der menschliche Körper zu ertragen im Stande sind. Selten habe ich ein Buch gelesen, das so unerbittlich mit seinen Figuren umspringt. Wie bei »Game of Thrones« gilt hier: Niemand ist sicher.

»Wie Schatten über totem Land« gehört für mich in eine Reihe mit den hervorragenden modernen Westernromanen von Cormac McCarthy, Tom Franklin und Larry McMurtry: Hart, authentisch und erschütternd, aber mit einem wilden Herzen.

S. Craig Zahler ist Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Er hat sich längst als Filmemacher etabliert: »Bone Tomahawk«, ein Horror-Western mit Kurt Russell in der Hauptrolle, »Brawl at Cell Block 99«, ein Gefängnisdrama mit Vince Vaughn, und »Dragged Across Concrete«, ein Thriller mit Mel Gibson, sind jetzt schon Genre-Klassiker. Bleibt zu hoffen, dass er die Zeit findet, weitere Romane zu schreiben, und seine übrigen Bücher alle noch auf Deutsch erscheinen.

S. Craig Zahler: Wie Schatten über totem Land | Deutsch von Madeleine Seither
Luzifer-Verlag 2017 | 400 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen