Max Barry: ProvidenceDie Menschheit befindet sich im Krieg mit der außerirdischen Spezies der Salamander. Die Schlachten werden mit gewaltigen Raumschiffen ausgetragen, und die Providence Five ist das neueste und modernste Schiff der irdischen Flotte. Sie ist fünf Kilometer lang und ausgestattet mit unüberwindbaren Waffensystemen sowie einer Roboterarmee, die alle Schäden an Bord beheben kann. Gesteuert wird die Providence Five von einer Künstlichen Intelligenz, die alle Entscheidungen bei dieser Mission trifft. Die Gefechte mit den Salamandern verlaufen vollautomatisch.

Es gibt nur vier menschliche Besatzungsmitglieder: Eine Kriegsveteranin, einen Systemtechniker, einen Waffenspezialisten und eine Expertin für Personalmanagement. Sie sollen durch Social-Media-Propaganda die menschliche Komponente des Krieges zeigen und fechten stellvertretend für die Bewohner der Erde diesen Krieg aus.

Gleich zu Beginn des Romans wird die Gefährlichkeit des Gegners sehr eindrucksvoll demonstriert. Nach diesem dramatischen Einstieg erfolgt ein Zeitsprung in der Handlung, mitten hinein ins Kriegsgeschehen. Die erste Hälfte des Romans wird allerdings Space-opera-Fans enttäuschen, die auf epische Weltraumschlachten hoffen. Die Zusammenstöße mit den Salamandern verlaufen lange Zeit etwa folgendermaßen:

»Puls in fünf«, sagte Anders. »Vier, drei, zwei. Puls aktiviert.«
»Ich scanne«, sagte Jackson. »Bestätigt. Alle Feindeinheiten erledigt. Nester vernichtet.«

Das ist allerdings kein Manko des Buches, sondern durchaus beabsichtigt, denn daraus erfolgt die Erkenntnis der Besatzung, dass sie in diesem Krieg überhaupt nicht gebraucht werden. Alles erfolgt vollautomatisch, von der KI des Schiffes geplant und durchgeführt.

Allerdings läuft dies auch nicht auf einen offenen Konflikt zwischen Mensch und Computer hinaus, wie mit Hal 9000 in »2001 – Odyssee im Weltraum«. Die KI der Providence Five kommuniziert nicht mit den Menschen an Bord, sondern beachtet sie überhaupt nicht. Sie teilt ihnen auch nicht ihre Entscheidungen mit. Die Besatzungsmitglieder sind wie Mikroben an Bord und werden schlicht nicht wahrgenommen. Dementsprechend nimmt die KI bei ihren Maßnahmen auch keine Rücksicht auf die Menschen.

Max Barry beschäftigt sich in seinen Büchern mit der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung der Menschheit und deren Folgen. In »Sirup« (meinem Favoriten) nahm er die Mechanismen der modernen Geschäftswelt auseinander, eine glänzende PR-Satire. In »Logoland« wird die Welt von internationalen Konzernen gelenkt, ein wirklich böser Roman. Trotz interessanter Grundideen erreichten spätere Romane wie »Maschinenmann« oder »Lexicon« nicht mehr die Schärfe dieser ersten Werke.

Bei »Providence“ bleibt die Satire zwar unter der Oberfläche, aber sie ist ständig vorhanden. Sie prangert nicht offen an, sondern erzeugt beim Leser ein durchgehendes Gefühl des Unwohleins und der Besorgnis. Man fragt sich mehrmals, ob dies die (technische) Zukunft ist, in der man leben will. Denn wie an Bord, so geht es in jener Zeit auch auf Erden zu: Maschinenintelligenz steuert in allen großen Firmen die Entscheidungsfindung und wählt für politische Parteien die geeigneten Kandidaten aus. Der Mensch lässt sie gewähren.

Einen leichten SF-Touch hatten Barrys Romane schon immer, auch wenn sie in der Gegenwart oder sehr nahen Zukunft spielten, doch dieses Mal geht es hinaus ins Weltall. Auch wenn der Klappentext eine der vielen Bedrohungen bereits verrät, kommt die Spannung nicht zu kurz. Und gerade weil das Namedropping von »Starship Troopers« bis »Alien« viele falsche Erwartungen schürt, bleibt der Verlauf der Handlung bis zuletzt überraschend.

Trotz des eindeutigen Genres ist »Providence« kein Buch, das sich nur an SF-Fans richtet. Vom Psychothriller bis zur wilden Abenteuersause wird hier so manches Genre bedient. Jeder, der spannende und intelligente Unterhaltung schätzt, darf sich von diesem Buch angesprochen fühlen.

Max Barry: Providence | Deutsch von Bernhard Kempen
Heyne 2021 | 400 Seiten | Jetzt bestellen