Seit einigen Jahren gehört die Leipziger Buchmesse zu meinen fest eingeplanten Terminen, ist sie doch eine gute Möglichkeit, sich mit anderen Bloggern zu treffen und auszutauschen. Außerdem kann man bestehende Kontakte zu Verlagen pflegen und neue knüpfen. Eine Vielzahl an attraktiven Veranstaltungen und Lesungen machte auch in diesem Jahr die Auswahl schwer, wenn man mit einem begrenzten Zeitbudget auskommen muss.
Wer meine Buchbesprechungen auf diesen Seiten verfolgt, weiß, dass mein Herz für besonders schön gestaltete Bücher schlägt. Nicht umsonst bin ich seit Jahren Mitglied und Genossenschaftlerin der Büchergilde Gutenberg. In diesem Jahr begann ich meine Standbesuche bei der Pirckheimer Gesellschaft, der ich auch angehöre. Während ich mich mit dem Schatzmeister Matthias Haberzettl über die Neuauflage des Voltaire-Klassikers »Candide oder der Optimismus« und die wunderbaren Illustrationen von Klaus Ensikat unterhalte, steht Maestro auch schon hinter mir. Welche Freude, mit dem Grafiker und Illustrator höchstpersönlich zu plaudern!
Ein Fest war das Bloggertreffen vom Diogenes Verlag. Nicht nur, dass Daniela Krien zu ihrem neuen Buch »Die Liebe im Ernstfall« Rede und Antwort stand. Vor lauter Neuerscheinungs-Leckerbissen weiß man nun gar nicht, was man zuerst lesen soll. Susanne Bühler und Stefanie Uhlig hatten jede Menge Spannendes im Gepäck. Ich habe mich für Ingrid Nolls »Goldschatz« und Charles Lewinskys »Der Stotterer« entschieden. Die Freude, bekannte Gesichter wiederzutreffen, war natürlich ebenso groß. Die eine oder andere Leseempfehlung von Blogger-Kollegen landete umgehend auf die Das-muss-ich-unbedingt-noch-lesen-Liste.
Selbstverständlich standen die schönsten Bücher der Welt wieder auf meinem Messeplan, interessieren mich doch die Themen der ausgezeichneten Bücher, die gestalterischen Ideen, die Ausführung der Typografie und der Druck. Da sieht man winzige illustrierte Kinderbücher aus Polen neben riesigen Anthologien über Architektur von kleinen Verlagen und originellen Foto-Büchern von großen Verlagen. Die Auszeichnung durch die Stiftung Buchkunst fand am Nachmittag statt zog die Aufmerksamkeit vieler Messebesucher an.
Kurze Pause zum Verschnaufen, Einchecken im Hotel und Taxi bestellen zum Südfriedhof
»Hier wollte ich eigentlich nur einmal her«, meinte der Taxifahrer am Abend, schaltete das Taxameter aus und gestand, dass er nicht genau wisse, wo der Eingang zur Kapelle des Südfriedhofs sei. Vor uns thronte gebieterisch das effektvoll angeleuchtete Völkerschlachtdenkmal. Der Friedhof dahinter lag im Dunkeln. Das fing ja gut an! Hier sollte eine Lesung stattfinden? Wo war die dunkle Gestalt mit den gelben Scheinwerfer-Augen und den riesigen Flügeln vom Buch-Cover?
Gut, dass ich nicht die einzige war, die zur Premieren-Lesung der im Conte Verlag erschienenen Anthologie »Der unmögliche Mord und andere phantastische Kriminalfälle« wollte. Von der Prager Straße aus schloss ich mich einfach dem Besucherstrom an. Die beleuchtete Hauptkapelle wies den Weg, auch ohne den Beflügelten. Leipzig liest, an welch fantastischem Ort!
Nicht nur mit der dem Buchstart vorausgegangen Blog-Tour hatte die Herausgeberin Tanja Karmann ganze Arbeit geleistet. Der reizvolle Ort, die bis auf den letzten Platz besetzte Kapelle und sieben gut aufgelegte Autoren sorgten für einen wunderbaren Abend. Nun werden die Geschichten ihren Weg zu den Lesern finden.
Nora Bendzko eröffnete mit ihrer Geschichte um das »Frankenstein-Paradoxon« den Abend. Warum der Mörder von Rolands Frau das gleiche Gesicht hat wie er selbst, wer weiß …
Carsten Schmitt entführte die Zuhörer im Anschluss in das Saarland des 19. Jahrhunderts. Seine Episode »Tahdukeh« stützt sich auf historisch verbriefte Ereignisse. Markus Heitz las aus seiner Erzählung »Der unmögliche Mord«, die dem Band seinen Titel verleiht. Zufällig spielt die Handlung in Leipzig. Hier möchte sich Rock’n-Roll-Liebhaber Magistrat Alvis Lee Cave nicht mit der Unlösbarkeit eines Verbrechens abfinden.
»Der unmögliche Mord, murmelte er vor sich hin. Das würde es bei ihm nicht geben. So kam er auf den einzigen Schluss: Ein Unsichtbarer.«
Alle drei Autoren ließen ihre Zuhörer ganz bewusst über das Ende ihrer Geschichten im Ungewissen. Schließlich wollen diese gelesen werden. Wie leicht oder schwer es den Autoren gefallen ist, die Phantastik bewusst in Kriminalstorys zu verpacken, war in dem Gespräch zu erfahren, das Tanja Karmann mit den anwesenden Schriftstellern führte. Insider wissen nun, warum Bernhard Stäber sich für einen mythologischen Kriminalfall in Endzeitstimmung entschieden hat, in welchem Genre laut Mario Steinmetz das Geheimnis seinen Platz hat, wie Kim Skott zu ihrem Webwalker kam und warum sie unpassende Socken zu unpassenden Zeiten trägt. Christoph Steckelbruck stellte eine geniale Verbindung zu Goethe her und Markus Heitz begründete die Standortwahl: »Hier werden nicht nur Leute begraben, sondern auch Geschichten erzählt.«
Warum verging nur die Zeit wie im Fluge? Schön, dass sich die Autoren Zeit für ihre Leser nahmen und im Anschluss geduldig alle Signierwünsche erfüllten. Um 22:30 Uhr ging ein langer Tag mit vielen neuen Eindrücken für mich zu Ende. Zufrieden und müde fiel ich buchstäblich in mein Hotelbett, habe ich doch sage und schreibe 15.140 Schritte und 11 km auf dem Messegelände zu Fuß zurückgelegt.