Ich habe die 6. Auflage von »Hampels Fluchten« gelesen. »Durst« und »Nachricht an alle« sind im Theater aufgeführt worden bzw. als Hörspiele erschienen. »Die Herrlichkeit des Lebens« wurde in 24 Sprachen übersetzt.

Sehr geehrter Herr Kumpfmüller, wie gehen Sie mit diesem Erfolg um, setzt er Sie unter Druck?

Mein Traum ist es zu schreiben, das ist der Erfolg, den ich spüre. Das Buch über Heinrich Hampel ist schon außergewöhnlich. Es hat mir alle Möglichkeiten eröffnet, auch die, dass ich lernen musste, wie man liest (für Lesungen). Die Geschichte liegt mir noch sehr am Herzen, da es die meiner Mutter bzw. meines Onkels erzählt. Meine Mutter stammt aus Jena und hat sich ein Leben lang um ihren Bruder gekümmert. Damals stellte sich die Frage, was kommt nach »Hampel« … ich wollte mich nicht wiederholen, wollte etwas ganz anderes machen. So ist »Durst« entstanden und ich bin sehr glücklich, dass ich dies so machen konnte. Natürlich gehe ich auch gern auf Lesereisen oder halte wie zur Zeit Vorlesungen an der Universität in Paderborn. Doch im Mittelpunkt steht immer der Schreibprozess. Erfolg ist eine Zuschreibung von draußen. Für »Hampels Fluchten« bin ich auch angefeindet worden, Marcel Reich-Ranicki hat ihn im Literarischen Quartett »vernichtet«.

Was sind Ihre Intentionen beim Schreiben?

Im Zusammenhang mit meinen Vorlesungen in Paderborn haben die Studenten auch über T.C. Boyles Roman »America« gesprochen. Der fabuliert ja alles aus, verliert sich in wunderbaren Beschreibungen, wo ich als Leser nur konsumieren kann. Das möchte ich nicht machen. Für mich ist ein Text dann gut, wenn er Lücken lässt. In »Hampels Fluchten« und auch in »Durst« war das wie ein Rausch, herauszufinden, warum Menschen so böse sein können, und ihr Handeln dann ein Stück weit zu verstehen.

»Die Herrlichkeit des Lebens« wurde in 24 Sprachen übersetzt. Welche Beziehung haben Sie zu den Übersetzern? Haben Sie sich, so wie einst Günter Grass, mit ihnen getroffen?

Ich habe Günter Grass immer dafür beneidet, das geht wohl nur, wenn man weltberühmt ist. Ein Drittel der Übersetzer meldet sich nie, die anderen haben Sachfragen. Eine Übersetzerin aus Weißrussland kam zu mir nach Berlin. Sie hatte Interesse an der Feinstruktur der Sprache und kümmerte sich um das Feintuning, das hat mich sehr berührt.

Kommen wir zu Ihrem aktuellen Buch »Tage mit Ora«. Warum »Bright Eyes«, warum »June on the Westcoast«?

Ich bin seit Jahren Fan der Band und habe die vier Stationen aus dem Text als Reise nur anders angeordnet …

Ich möchte dem Paar aus dem Buch am liebsten eine Chance geben und ihnen alles Gute wünschen …

… das sagt nichts über den Text aus, sondern über Sie als Mensch. Es gab viele, die gesagt haben, dass das Experiment von vornherein auf die Reise beschränkt war oder dass die sich nie wieder sehen. Man ist eben nicht nur ICH.

Da sind sie wieder, die berühmten Lücken. Wie hält es Herr Kumpfmüller mit Reisen?

Ich denke viel übers Reisen nach und reise am liebsten, wenn ich etwas zu tun habe. So war ich während meiner Reisen durch China mit den Lesungen aus meinem Kafka-Roman beschäftigt. Ich bin nicht gern Voyeur.

Und noch eine letzte Frage: Wie stehen Sie zu uns Bloggern?

Im Internet gibt es alles, in Zeitungen auch. Bei allem geht es um Erfahrungen des Geistes und dass man immer etwas »verwerten« kann. Wenn wir wollen, dass irgendetwas von der Bildung (hängen-)bleibt, müssen wir kooperieren und uns gemeinsam ermutigen, weiter an das Gute zu glauben. Dazu gehören Kirche, Politik, Literatur, Sie. Ignoranten, »Konsumierer« und Intolerante gibt es bereits genug.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Das Interview führte Renate Bojanowski am 10. Oktober 2019 im Rahmen der Lesung aus »Tage mit Ora« während der »Verdichtung 14«, den Magdeburger Literaturwochen unter dem Motto: »Paare! Beziehungsweisen?« Foto: Renate Bojanowski