Harlan Coben: Der Junge aus dem WaldWilde wurde als kleiner Junge im Wald gefunden. Er lebte dort allein und ohne Erinnerungen an seine Vergangenheit, hatte besondere Fähigkeiten entwickelt und umfangreiches Wissen über die Natur gesammelt. Seine Herkunft blieb im Dunkeln. Er wuchs bei einer Pflegefamilie auf und ging zum Militär, bevor er wieder in den Wald zurückkehrte. Dort lebt er weiterhin als Außenseiter in einer Wohn-Kugel, die er gelegentlich umsetzt, um nicht so leicht gefunden zu werden. Außerdem arbeitet Wilde gelegentlich als Privatdetektiv.

Als die Highschoolschülerin Naomi Pine nach mehreren Mobbingattacken verschwindet, macht er sich auf die Suche nach ihr. Er kommt schnell auf die Spur eines seltsamen Spiels unter den örtlichen Jugendlichen, doch bald muss er erkennen, dass hinter dieser Geschichte eine noch viel größere steckt. Er bekommt es mit sehr mächtigen Gegnern zu tun, doch zum Glück steht ihm die resolute Staranwältin Hester Crimstein zur Seite.

Wie so oft bei Coben entwickelt die Geschichte in ihrem Verlauf sehr viele unterschiedliche Facetten und nichts ist so, wie es anfangs scheint. Mobbing an Schulen ist nur der Aufhänger und der Auslöser für die folgenden Ereignisse. Ein Geflecht aus gutgezeichneten Nebenfiguren gibt dem Autor viel Spielraum für seine Verwicklungen.

Hester Crimstein konnte der Leser bereits im Vorgänger »Suche mich nicht« kennenlernen. Die beiden Romane haben nichts miteinander zu tun, auch wenn vergangene Ereignisse mehrmals erwähnt werden. Coben erschafft nur einen gemeinsamen Kosmos, in dem seine Bücher spielen. Weitere Elemente, die er aus dem Vorgänger aufgreift, sind Adoptionen und DNA-Tests, denn auch Wilde möchte gerne mehr über seine Herkunft erfahren.

Auch in diesem Buch gibt es ein paar Überraschungen zu viel und gegen Ende stauen sie sich regelrecht. Noch eine Wendung und noch eine, bis man erschöpft abwinken möchte. Weniger hätte auch gereicht, denn Coben kann einfach ausgezeichnet unterhalten und hat solche Knalleffekte gar nicht nötig.

In der (meiner Meinung nach) stärksten Szene des Buches schildert er beispielsweise, wie der Populist Rusty auf die Veröffentlichung eines kompromittierenden Videos reagiert. Seine Gegenmaßnahmen sind ein Musterbeispiel für die Manipulation der öffentlichen Meinung und die Verbreitung von Fake News. Auf faszinierende Weise erschreckend. Allein schon wegen dieser wenigen Seiten muss ich die Lektüre des Romans unbedingt empfehlen.

»Der Junge aus dem Wald« könnte der Beginn einer neuen Serie sein, dafür spricht schon, dass die Hintergründe von Wilde noch vage gehalten werden, weder seine Zeit im Wald noch seine Herkunft oder die militärische Spezialausbildung werden ausführlich thematisiert. Der Charakter gibt also noch einiges her und der Start ist wirklich vielversprechend.

Harlan Coben: Der Junge aus dem Wald | Deutsch von Gunnar Kwisinski
Gelesen von Detlef Bierstedt | Dauer: 10:27 Std.
Der Hörverlag 2020 | Jetzt bestellen

Taschenbuchausgabe:
Harlan Coben: Der Junge aus dem Wald | Deutsch von Gunnar Kwisinski
Goldmann 2020 | 464 Seiten | Jetzt bestellen