Gary Shteyngart: LandpartieVor langer Zeit, nachdem seine Kindheitsbeziehung zu Masha zu Ende gegangen war, hatte er als Autor und Redakteur für eine Reisezeitschrift gearbeitet und war mit nichts als einem Notizblock und ein bisschen Vokabular in beiden Hemisphären herumgejuckelt. Diese Zeitspanne umfasste einige der besten Jahre seines Lebens, die Spesenkonten, der Schweiß tropischer Städte, die betrunkene Kameradschaft der Eds dieser Welt.

Das Buch zur Pandemie, auch wenn Corona nur den äußeren Rahmen absteckt. Acht Menschen werden an einem idyllischen Ort am Hudson River in eine sechsmonatige Isolation gezwungen. Die unterschiedlichen Charaktere treffen sich zu Beginn der Pandemie in dem Bungalowkomplex des Schriftstellers Senderovsky. Seine Frau Masha ist eine depressive Psychologin und die achtjährige Adoptivtochter koreanischer Abstammung leidet an einer generalisierten Angststörung. Zu ihnen gesellen sich drei alte Schulfreunde: Karen ist die Erfinderin einer Dating-App, Vinod ist ehemaliger Professor und schon jahrelang in sie verliebt sowie Ed Kim, ein Gentleman und Lebemann. Die Runde wird vervollständigt von einer ehemaligen Schülerin Senderovskys, die inzwischen erfolgreicher ist als er, und einem weltberühmter Schauspieler, der namenlos bleibt. Mit letzterem will der Gastgeber an einem Drehbuch arbeiten.

Konflikte sind auf so engem Raum vorprogrammiert, ebenso wie turbulente Verwicklungen, vorwiegend sexueller Natur. Allerdings sollte man als Leser keine Boulevardkomödie zum Schenkelklopfen erwarten. Der Humor ist wesentlich subtiler und zeigt sich meist in den Beschreibungen und Vergleichen des Autors. Die Handlung des Romans selbst ist eher tragisch, denn die meisten Figuren führen zwar ein finanziell abgesichertes Leben, sind aber von ihrem Dasein extrem gelangweilt. Bei gutem Essen und viel Alkohol lässt es sich eine ganze Weile an diesem fast paradiesischen Ort aushalten, doch schließlich brechen alte Konflikte auf und neue entstehen. Keiner von ihnen ist wirklich zufrieden mit seinem Leben. Ihr gesellschaftlicher Status hat sie passiv und antriebslos gemacht und während der erzwungenen Isolationen wird ihnen das nur allzu bewusst.

Gary Shteyngart führt anhand seines Personals den kompletten Irrsinn des modernen Lebens vor, auch wenn es sich ausnahmslos um sehr privilegierte Menschen handelt. Es lohnt der Vergleich, wie man selbst die Pandemie erlebt hat. Bei vielen, die nicht die Möglichkeit hatten, sich freiwillig zu isolieren, wird sich das Mitleid wohl in Grenzen halten, aber sie haben trotzdem die Gelegenheit, sich über diese Gruppe zu amüsieren. Shteyngarts Humor ist großartig. Es gibt viele witzige Szenen, brillante Ideen, kluge Gedanken und messerscharfe Analysen.

Doch obwohl die Ausgangslage sehr spannend und vielversprechend erscheint, ist das Ergebnis etwas zwiespältig. »Landpartie« kommt oft zu sperrig daher und die Handlung zerfasert an mehreren Stellen unnötig. Es fiel mir oft schwer, an den Figuren dranzubleiben, inhaltlich wie emotional. An den grandiosen Vorgänger »Willkommen in Lake Success« reicht Shteyngarts neuer Roman deshalb nicht heran, aber empfehlenswerte zeitgenössische Literatur ist er allemal.

Gary Shteyngart: Landpartie | Deutsch von Nikolaus Stingl
Penguin 2022 | 480 Seiten | Jetzt bestellen