DBC Pierre: Das Buch GabrielCarte blanche für Gabriel Brockwell. Doch eins nach dem anderen. Ich werde den versiertesten Verschwender ausfindig machen, den ich kenne: meinen alten Freund Nelson Smuts, bei dem Wein und Ausschweifungen nie weit sind. Mit ihm als Schützenhilfe werde ich meine letzten Stunden zu einer perfekten Miniaturausgabe des Zeitalters machen, das ich hinter mir lasse – zu nichts weniger als einem letzten, mutwilligen Sprung in die Besinnungslosigkeit.

Gabriel beschließt sich umzubringen. Allerdings nicht sofort, denn zuvor möchte er noch etwas erleben. Gerade hat er Job und Freundin verloren und wurde von seinem Vater in eine Londoner Rehaklinik zwangseingewiesen, nachdem er eine Überdosis erwischte hatte. Er flieht aus der Klinik und begibt sich auf die Suche nach seinem Freund Smuts zunächst nach Tokio. Smuts geht es sehr gut in Tokio, er wird in einem angesehenen Lokal zum Koch ausgebildet und scheint ein geregeltes und zufriedenes Leben zu führen. Smuts lernt die Zubereitung von giftigen Speisefischen. Für einen Mann mit Todessehnsucht wie Gabriel ist dies natürlich ein reizvolles Thema.

Wir veranstalteten einen derartigen Aufstand, dass unsere Väter uns auf die Restaurantfachschule schickten. Aber schon nach einer Woche war klar, dass ich nur Allüren hatte, aber keinerlei Talent. Außerdem war ich zu zaghaft im Umgang mit Messern und offenem Feuer. Diese Ohrfeige der Wahrheit beendete meine Zeit auf der Kochschule. Ich schlich nach Hause, um meinem Vater bei der Bestätigung meiner Nichtsnutzigkeit unter die Arme zu greifen; einer Aufgabe, der wir uns gemeinsam mit der Hingabe von Modelleisenbahnliebhabern widmeten.

Kaum vierundzwanzig Stunden nach Gabriels Ankunft sitzt Smuts im Gefängnis, nachdem er in dem Aquarium der Speisefische Sex mit der Tochter seines Chefs hatte und ein Gast durch eine Verwechslung des betrunkenen Smuts das falsche Körperteil eines Fisches verspeist hat. Gabriel fliegt allein weiter nach Berlin, wo sie einen Club eröffnen wollen. Während Smuts in Japan auf seinen Prozess wartet, soll Gabriel alles regeln. Das riesige Gebäude des Flughafen Tempelhof soll als Kulisse für die größte Party aller Zeiten dienen.

DBC Pierre gehört zu den interessantesten britischen Autoren der letzten Jahre. Ähnlich wie Martin Amis und Tibor Fischer verfasst er zynische Gesellschaftssatiren, die vor schwarzem Humor nur so strotzen. Für sein Debüt »Jesus von Texas« erhielt er den renommierten Booker Prize, der Nachfolger »Bunny & Blair« begeisterte mit schrägen Einfällen und einem verstörenden Weltbild.

Jetzt ist mit »Das Buch Gabriel« sein drittes Buch erschienen, das der Abschluss einer Trilogie über unser dekadentes Zeitalter sein soll. Inhaltlich sind die Bücher völlig unabhängig voneinander. Sie werden nur durch ihre Themen verbunden, wie Drogenmissbrauch, Hedonismus und die Abgründe der Konsumgesellschaft.

Im ersten Drittel hat das Buch all die Eigenschaften und Qualitäten, die seine Vorgänger so lesenswert gemacht haben, aber mit der Ankunft in Berlin verschwimmt alles zu einem larmoyanten Dauerfeuer, das in einer Kolumne besser aufgehoben wäre, als in einem Roman. Selbst die gelungenen Ideen wie das »Klaus&Klaus«-Coverduo oder die geheimbündlerische Gourmetelite sind nur Streiflichter in einer fadenscheinigen Handlung, die einzig dazu dient, der Weltsicht des Autors einen notdürftigen Rahmen zu bieten.

Der Originaltitel »Lights out in Wonderland« wäre, selbst übersetzt, der treffendere Buchtitel gewesen. Leider in mehr als einer Hinsicht.

DBC Pierre: Das Buch Gabriel | Deutsch von Kirsten Riesselmann
Eichborn 2011 | 384 Seiten | Jetzt bestellen