Beth Ann Fennelly, Tom Franklin: Das Meer von MississippiDie Geschichte spielt im Frühjahr 1927. Monatelange Regenfälle sorgen für den Ausnahmezustand im US-Staat Mississippi. Die Wasserpegel steigen unaufhörlich, und die Dämme sind der Flut nicht mehr gewachsen. Dem Hinterland droht die völlige Überflutung. In einem der bedrohten Orte mit Namen Hobnob Landing verdient Jesse Holliver wegen der herrschenden Prohibition sehr gut. Die Polizei tanzt nach seiner Pfeife und seine Frau Dixie Clay beherrscht die Kunst des Schnapsbrennens wie niemand sonst in der Gegend.

Nachdem zwei Prohibitionsagenten spurlos verschwunden sind, schickt die Behörde Ted Ingersoll und Ham Johnson nach Hobnob Landing, um nach den beiden Kollegen und den Schwarzbrennereien zu suchen. Sie geben sich als Ingenieure aus, die den Damm sichern sollen, denn in einem Nachbarort wurde Dynamit gestohlen. Die Agenten gehen davon aus, dass Saboteure den Damm sprengen wollen, damit ihre Grundstücke, die hinter Hobnob Landing entlang des Flusses liegen, verschont bleiben.

Der Titel des Romans ist eigentlich ein Spoiler, denn wenn man ihn sich bildlich vorstellt, ist es keine Frage, ob die Dämme halten werden. Ebenso lässt auch der Rest der Handlung kaum Fragen aufkommen. Obwohl es mehrere spannende Szenen gibt, verläuft die Geschichte sehr überraschungsarm. Jederzeit geschieht genau das, was man erwartet. So etwas bin ich von Tom Franklin nicht gewohnt. Deshalb fällt es mir schwer, diesen Roman objektiv zu beurteilen. Die Enttäuschung wiegt einfach zu schwer.

Das liegt in erster Linie an den auftretenden Personen. Die beiden Hauptfiguren Ingersoll und Dixie Clay sind mit so vielen Schicksalsschlägen aus der Vergangenheit belastet, dass die aktuellen Ereignisse dagegen gar nicht ankommen können. Die meisten Nebenfiguren bleiben erschreckend flach und das gilt leider auch für den Bösewicht. Er wird mehrmals als das personifizierte Böse angekündigt, doch selbst bei seinem größten Auftritt stiehlt ihm seine aktuelle Geliebte komplett die Show.

Dabei besitzt die Geschichte so viele gute Zutaten: auf der einen Seite die Prohibition, auf der anderen das politische Versagen und die Korruption, die einen sinnvollen Schutz der Bürger vor der Flut verhindern. Die Handlung liegt realen Ereignissen zugrunde und der historische Hintergrund ist genau recherchiert, aber dies schafft nicht durchgehend eine überzeugende Atmosphäre.

Seine stärksten Momente hat das Buch, wenn es die Folgen der gesellschaftlichen Krise zeigt. Unter den Bürgern gibt es keinen Zusammenhalt mehr, nicht den Hauch von Sozialromantik, jeder kämpft nur noch für sich alleine. Nicht, weil alle Bewohner schlechte oder egoistische Menschen wären, sondern weil sie gar keine andere Wahl haben, wenn sie überleben wollen. Diese Notwendigkeit haben sie alle von klein auf gelernt. Egal, ob sie vom Ersten Weltkrieg traumatisiert sind, Kinder verloren haben oder nur wegen des Whiskeyschmuggels überleben können, weil es keine anderen Jobs gibt. Diese Menschen haben niemals gelernt, sich auf andere zu verlassen, sondern wurden immer nur betrogen oder ausgenutzt.

Beth Ann Fennelly und Tom Franklin sind seit vielen Jahren verheiratet und getrennt erfolgreich. Ihre erste Zusammenarbeit wurde zwar vielfach gelobt, vereinigt meiner Meinung nach aber nicht die besten Seiten der beiden Beteiligten. »Das Meer von Mississippi« ist ein historischer Kriminalroman mit harter Sozialkritik und wortgewaltigen Katastrophenszenen, aber wenig überzeugenden Figuren. Kein Vergleich mit Tom Franklins Meisterwerken wie »Die Gefürchteten« und »Smonk«.

Beth Ann Fennelly, Tom Franklin: Das Meer von Mississippi | Deutsch von Eva Bonné
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