Makarionissi war einhundertsiebenunddreißig Komma acht Quadratkilometer groß, lag im westlichen Mittelmeer, und alle Piloten, Kleinflugzeuginsassen, Götter und das gesamte Vogelvieh, das über die Insel hinwegflog, konnte nicht umhin, festzustellen, dass sie aussah wie ein Hirschkäfer.
Die Geschichte beginnt in zwei verfeindeten griechischen Dörfern, deren Vergangenheit jede gemeinsame Zukunft verhindert. Die Matriarchin einer Familie hat schon immer die Geschicke ihrer Verwandten gelenkt. Aus Furcht, die Ahnenreihe könne irgendwann ins Stocken geraten, arbeitet sie seit der Geburt ihrer jüngsten Enkel darauf hin, dass aus Cousin und Cousine später einmal ein Paar wird.
Eleni und Lefti sind auch ohne ihr Zutun während der Kindheit unzertrennlich, doch später ändert sich ihr Verhältnis. Griechenland steht wieder am Rande eines Bürgerkrieges. Während die streitbare Eleni sich politisch engagiert und dabei immer größere Risiken eingeht, versucht der harmoniesüchtige Lefti sein Glück in Deutschland zu finden und wird zum Vorzeigedeutschen. Es sieht so aus, als würde der Plan ihrer Großmutter nicht aufgehen.
Ein Bergdorf an der griechisch-albanischen Grenze, das deutsche Hildesheim in den Siebzigern, das Griechenviertel von Chicago und die titelgebende Insel im Mittelmeer sind Stationen dieser jahrzehnteumspannenden Familiengeschichte, die immer wieder neue Wendungen nimmt. Deshalb sollte man den Stammbaum zu Beginn des Buches tunlichst überblättern, wenn man sich die Spannung auf einige familiäre Entwicklungen bewahren möchte. Denn eines ist dieses Buch ganz sicher nicht, nämlich vorhersehbar.
Das Schicksal von Eleni und Lefti hält immer neue Überraschungen bereit. Diese beiden völlig gegensätzlichen Persönlichkeiten, die sich als erzwungene Gemeinschaft auf der Suche nach ihrer Vorstellung von Glück befinden, lassen den Leser nicht unberührt. Die überzeugenden Charaktere sind nur eine Stärke des Buches. Neben der Fülle an Details, dem geschmeidigen Ton und der fesselnden Handlung. »Makarionissi« ist pure Lesefreude.
Schon »Blasmusikpop«, das Debüt von Vea Kaiser, hat mich bei seinem Erscheinen beeindruckt und begeistert. Nun ist ihr zweiter Roman erschienen und schon nach wenigen Seiten war mir klar, dass ich mir diese Autorin zu Recht gemerkt hatte. Ich freue mich bereits auf ihr nächstes Buch.
Vea Kaiser: Makarionissi oder Die Insel der Seligen | Deutsch
Kiepenheuer & Witsch 2015 | 464 Seiten | Jetzt bestellen