Thomas Klupp: Wie ich fälschte, log und Gutes tatBenedikt Jäger ist ein ganz normaler Jugendlicher. Er geht zur Schule, spielt leidenschaftlich gern Tennis, verbringt viel Zeit mit seinen Freunden und testet gelegentlich seine Grenzen aus. So weit, so gut. Auch der Ort, in dem er lebt, hat nicht so viel zu bieten. Weder klein, noch groß, weder besonders spannend, noch besonders langweilig.

Es sind die klassischen Teenager-Probleme, die sich in diesem Roman bemerkbar machen: ein überaus sadistischer Mathelehrer und die Sache mit der Liebe sind dabei nur zwei Aspekte. Was also macht das Buch lesenswert und inwiefern ist Benedikts Leben vielleicht doch anders als gewöhnlich?

Nun, zum einen ist er reich. Also nicht er, aber seine Eltern. Darüber hinaus ist er ein Meister des Tricksen und Täuschen geworden. Nahezu jede Klassenarbeit wird systematisch gefälscht und mit besten Noten der psychisch instabilen Mutter vorgelegt. Und dann wäre da noch der Butterhof – ein abseits gelegener Bau, der vom zwielichtigen Crystal-Mäx bewohnt wird und eine gewisse Faszination auf den Protagonisten ausübt. Trotz oder wegen all dieser Umstände ist er nicht wirklich glücklich und zufrieden mit seinem Leben und verstrickt sich immer weiter in Schwierigkeiten, je mehr er versucht, ihnen zu entkommen.

Im Hopfenweg, ganz oben, dort wo die Wiesen beginnen, dort wohne ich. Ich konnte unser Haus erkennen, den Garten, das hellblaue Rechteck des Swimmingpools. Meine ganze Welt, all die Orte, an denen ich meine Zeit verbrachte, schrumpften auf die Größe einer Ansichtskarte zusammen. Und die Ansicht darauf sah beschissen aus. Also nicht die Ansicht selbst. Die war okay. Sondern das, was darunter lag. Diese aus der Tiefe emporwuchernde Fälschung, dieses Trugbild, das mein Leben war.

Benedikt hat für einen Teenager meist ziemlich kluge Gedanken. Schwierig wird es, wenn er seinen Mund aufmacht oder er zu Taten schreitet. Als Person, die dem Teenager-Dasein erst seit Kurzem entronnen ist, bewegte mich der erste Satz des Buches schon fast dazu, es direkt wieder wegzulegen. Dieser lautet: »Heute war der beste Schultag ever.« Ja, das Buch soll aus Teenager-Perspektieve geschrieben sein und ja, Jugendsprache unterscheidet sich vom üblichen deutschen Sprachgebrauch, aber so ein Satz lässt mich direkt das Gesicht verziehen und nein, es wird im Laufe des Romans nicht besser, sondern schlimmer.

Dazu empfinde ich die gewählte Sprache an vielen Stellen als nicht authentisch – eben das, was passiert, wenn ein älterer Autor versucht, sich in »diese jungen Leute« hineinzuversetzen. Jugendliche tendieren durchaus auch mal zu Übertreibungen, denen ein unausgereiftes Geschichtsverständnis zu Grunde liegt, aber derart viele unangemessene Anspielungen auf den Nationalsozialismus haben nichts mehr mit einer politisch unkorrekten Jugend zu tun, sondern sind eine Provokation des Autors á la »darf er das«? Diese Provokation tut das, was sie tun soll: sie stößt auf, nervt und macht wütend, dennoch stellt sich mir die Frage, ob die Verwendung rassistischer, sexistischer oder antisemitischer Motive als reine Provokation gelten darf oder doch eher von der Sensationslust des Autors zeugt.

Trotz dieser grundlegenden Kritik besitzt das Buch an vielen Stellen auch einen nicht zu leugnenden Wortwitz und versetzt zurück in die eigene Schulzeit (wir alle hatten diesen Mathelehrer oder?). Darüber hinaus schafft Thomas Klupp die Kulisse einer idyllischen Vorzeige-Kleinstadt mit Vorzeige-Bürger*innen, deren Vorurteile und Abgründe gut versteckt werden. Was sich hinter der Kulisse auftut, ist das Abbild einer konservativen und oberflächlichen Gesellschaft, deren Status und Außenwirkung nicht wenige Opfer in Kauf nimmt.

»Wie ich fälschte, log und Gutes tat« ist der Versuch, ein Buch aus der Perspektive eines Jugendlichen für Erwachsene zu schreiben. Durchaus unterhaltsam und schnell gelesen, verfehlt es aber den richtigen Ton und bedient sich schmackloser Mechanismen. Schade, es hätte mehr daraus werden können.

Thomas Klupp: Wie ich fälschte, log und Gutes tat | Deutsch
Berlin Verlag 2018 | 256 Seiten | Jetzt bestellen