Ein neuer Band mit Erzählungen von Stephen King ist immer ein Grund zur Freude. Zwölf Geschichten auf 736 Seiten, beziehungsweise über 22 Stunden von David Nathan vorgetragen. Das ist für mich eine Garantie für gute Unterhaltung und ich wurde nicht enttäuscht. Natürlich gibt es bei Kurzgeschichtensammlungen immer Geschichten, die einem besser gefallen als andere, selbst wenn sie alle vom selben Autor stammen. Gleich vorweg: Einige mögen etwas abrupt enden oder nicht ganz ins Schwarze treffen, aber richtig schlecht ist keine von ihnen. Ich möchte mich allerdings auf diejenigen beschränken, die meiner Meinung nach am besten gelungen sind.
Zu meinen Favoriten zählen unter anderem die kürzeste und die längste Geschichte in diesem Band. »Der fünfte Schritt« ist knapp, kurz und sehr überraschend. Eine gute Idee und effektvoll umgesetzt. »Danny Coughlins böser Traum« dagegen sprengt den Rahmen einer Kurzgeschichte und ist selbst für eine Novelle noch umfangreich. Mit 220 Seiten nimmt sie fast ein Drittel des Buches ein und trotzdem bedauert man es, wenn man das Ende erreicht. Es ist eine dieser Geschichten, in die man völlig eintauchen kann. Titelheld Danny Coughlin träumt von einer Leiche und als diese am angegebenen Ort tatsächlich gefunden wird, ist er der Hauptverdächtige. Er gerät in die Mühlen der Justiz und der zuständige Beamte will ihm den Mord unbedingt nachweisen. Die Geschichte hat mich sehr an das erste Drittel von Kings Roman »Der Outsider« erinnert. Ähnlich verzweifelt versucht hier ein Verdächtiger seine Unschuld zu beweisen. Bis zum Ende eine äußerst spannende und dramatische Geschichte.
Das gilt auch für ein weiteres Highlight namens »Der Antwortmann«. Der frischgebackene Anwalt Phil begegnet einem seltsamen Mann, der einen Stand am Straßenrand aufgebaut hat. Er beantwortet jedem Kunden einige Fragen zu seiner Zukunft, aber diese sollten gut überlegt sein. Für Phil werden die Antworten Auswirkungen auf sein gesamtes Leben haben. Eine Geschichte auch für Leserinnen und Leser, die ansonsten nichts mit Horrorliteratur zu tun haben (wollen), aber gerne einmal wissen möchten, was Fans so an Stephen King gefällt.
»Klapperschlangen« ist eine wirklich unheimliche Geschichte, die sich ebenfalls (auf positive Weise) Zeit nimmt. Vic Trenton hütet die Villa eines Freundes und lernt seine Nachbarn kennen. Darunter die verwitwete Alita, die ihre Zwillinge in einem Buggy spazieren fährt. Doch in dem Buggy sitzt niemand und Vic erfährt, dass die Zwillinge seit Jahrzehnten tot sind. Fesselnd schildert King hier erneut eine kleine Gruppe von Menschen und das langsame Einschleichen des Grauens in deren Alltag. Ein Thema, das er immer wieder virtuos umzusetzen versteht. Interessant für Fans ist, dass es sich bei Vic um eine Nebenfigur aus Kings frühen Roman »Cujo« handelte, auf den hier gelegentlich Bezug genommen wird.
In »Auf der Slide Inn Road« nimmt die Reise einer Familie durch einen Abkürzung einen verhängnisvollen Verlauf. In »Ein Fachmann für Turbulenzen« lernen wir während eines Fluges einen Fachmann ganz besonderer Art kennen. Und »Finn« hätte gerne etwas länger sein dürfen.
Abgerundet wird das Buch durch das Nachwort des Autors, in dem er interessante Informationen zu einzelnen Geschichten nachliefert. Geschrieben in dem launigen Plauderton, der auch seine Sachtexte so lesenswert macht.
Hörbuch:
Stephen King: Ihr wollt es dunkler | Deutsch von Wulf Bergner, Jürgen Bürger, Karl-Heinz Ebnet, Gisbert Haefs, Marcus Ingendaay, Bernhard Kleinschmidt, Kristof Kurz, Gunnar Kwisinski, Friedrich Sommersberg und Sven-Eric Wehmeyer
Gelesen von David Nathan | Dauer: 22:27 Std.
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Hardcover:
Stephen King: Ihr wollt es dunkler
Heyne 2024 | 736 Seiten | Jetzt bestellen
