Stephen Fry: Das NilpferdTedward »Ted« Wallace ist Theaterkritiker, geistreicher Dampfplauderer, Säufer und Frauenheld in Personalunion. Kann es einen besseren Protagonisten für einen durch und durch britischen Roman geben? Wobei, für einen durch und durch britischen Stephen Fry-Roman natürlich.

Das ist ein nicht zu verachtender Unterschied. Wo andere dezent die Geschmacks- und sonstigen Handbremsen anziehen, schaltet die partielle Reinkarnation von Oscar Wilde gleich nochmal zwei Gänge höher. Ständig auf dem schmalen Grad von Zynismus und reiner Böswilligkeit dahinschreddernde Gesellschaftsanalysen gehen Hand in Hand mit nicht nur einmal die Grenzen des guten Geschmacks heftig erschütternden sexuellen Ausschweifungen, die … nun, lest selbst!

Bevor jetzt alle potenziellen Leser erschrocken das Weite suchen, rufe ich dezent »HALT!«. Denn Ihr verpasst ein verdammt gutes Buch. Fry ist geistreich, witzig, eloquent, nimmt (weiß Gott) kein Blatt vor den Mund -, Ihr werdet jede Zeile lieben!

Worum geht es eigentlich in dem Roman? Ted Wallace, ehemals gefeierter, nun aber gefeuerter Theaterkritiker und Postromancier, wird von seinem Patenkind gegen Bezahlung eines fürstlichen Honorars engagiert, auf dem Landsitz eines alten Freundes gewisse unerklärliche Ereignisse zu enttarnen.

Wir treffen lauter illustre Gestalten, von denen das Wunderkind David und der superschwule Priester nur zwei besonders erwähnenswerte sind. Wunderheilungen sind auf Swafford Hall an der Tagesordnung. Da hüpft das unheilbar an Leukämie erkrankte Patenkind urplötzlich genauso quietschfidel wieder durch die Gegend wie das kurz vor dem Schlachthaus stehende Rassepferd aus eigener Zucht.

Die Neugier und Ratlosigkeit des Lesers steigt von Seite zu Seite, bis Fry uns am Ende alle überrascht und erhellt. Der Plot ist spannend, geistreich, und wir bleiben nach der Lektüre erfrischt und zufrieden zurück. Wir sind dem großen Engländer sehr gerne auf den Leim gegangen und können uns zufrieden in unserem großen, bequemen Ohrensessel zurücklehnen, natürlich nicht, ohne unser Glas auf Ted Wallace und seinen kongenialen Erfinder zu erheben. Wer einmal Fry gelesen hat, reiht sich unweigerlich in die Reihe seiner Jünger ein.

Gut gemacht, Meister!

Stephen Fry: Das Nilpferd | Deutsch von Ulrich Blumenbach
Aufbau Taschenbuch 2004 (3. Auflage) | 400 Seiten | Jetzt bestellen