Stephen Chbowsky: Der unsichtbare Freund»David? Deine Mutter hat sich an den Füßen wehgetan. Sie sind ganz zerschnitten. Komm und hilf mir.«

Die zischende Lady sprach jetzt mit der Stimme seiner Mom. Gemein von ihr. Aber so war sie eben. Sie konnte sogar aussehen wie sie. Beim ersten Mal hatte sie ihn damit hereingelegt. Er war zu ihr auf den Grünstreifen gelaufen, und sie hatte ihn gepackt. Danach hatte er zwei Nächte lang nicht geschlafen. In dem Haus mit dem Keller, in das sie ihn gebracht hatte. Dem Haus mit dem Ofen.

Kate Reese ist mit ihrem siebenjährigen Sohn Christopher in den kleinen Ort Mill Grove gezogen. Die beiden wollen einen Neustart beginnen. Kates Mann hat vor Jahren Selbstmord begangen und das Leben mit ihrem neuen Gefährten Jerry wurde immer unerträglicher. Mill Grove liegt abgelegen genug, hat nur eine Zugangsstraße und ist ringsum von dichtem Wald umgeben. Für eine Weile scheinen sie zur Ruhe zu kommen, obwohl die Geldnot ihnen zu schaffen macht. Doch dann beginnt Christopher, eine Stimme aus dem Wald zu hören, die ihn zu sich lockt. Er verschwindet für sechs Tage und als er zurückkehrt, hat er sich verändert. Er besitzt plötzlich besondere Fähigkeiten und hat einen Auftrag zu erfüllen.

Nach seinem Jugendroman »Das ist mein Leben« hat Stephen Chbosky hauptsächlich als Regisseur gearbeitet. Von ihm stammen unter anderem die Serie »Jericho« und die Roman-Verfilmung »Wunder«. Nun liegt sein zweiter Roman vor, ein 900-Seiten-Horror-Thriller.

Es gibt viel Gutes über dieses Buch zu berichten. Gerade zu Beginn gelingen dem Autor viele sehr anrührende und unkitschige Szenen zwischen Mutter und Sohn. Auch ihre Lebensverhältnisse am Rande des Existenzminimums sowie die ständigen Einschränkungen und Entbehrungen werden drastisch geschildert, ohne Mitleid heischen zu wollen.

Mit Christophers Verschwinden beginnt der Mystery-Teil des Romans. Unter den Menschen im Ort bricht ein mysteriöses Fieber aus, das sie gereizt und aggressiv macht. Alte Feindschaften brechen wieder auf und die Lage in Mill Grove wird immer bedrohlicher. Christopher macht eine Gestalt dafür verantwortlich, die er die »zischende Lady« nennt. Gleichzeitig erhält er aber Unterstützung durch den »netten Mann«. Der Kampf um die Bewohner und gegen das Böse verlagert sich immer weiter in eine schattenhafte Parallelwelt, zu der Christopher Zugang hat.

Der Verlag bewirbt den Roman mit dem Slogan: Stephen King meets »Stranger Things«. Das klingt in meinen Ohren wie ein Pleonasmus, sprich doppelt gemoppelt, denn »Stranger Things« ist purer Stephen King. Ebenso wie dieser Roman. Die Geschichte könnte von King selbst stammen. Sowohl Handlung als auch Stil erinnern sehr an den Meister und dass das Hörbuch von David Nathan gesprochen wird, verstärkt den Eindruck noch. Bester King, bis hin zur Überlänge.

Dieses Buch kann ich allen Stephen King-Fans empfehlen. Zwar sorgt der Meister selbst schon für ausreichend Nachschub, doch wer trotzdem einen Mangel verspürt, wird hier bestens bedient.

Stephen Chbosky: Der unsichtbare Freund | Deutsch von Friedrich Mader
Gelesen von David Nathan | 3 MP3-CDs | Dauer: 22:45 Std.
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