In der achten Klasse erhielt ich einen Schulverweis, weil ich mein Sperma in den Biologieunterricht mitgebracht hatte. Wir sollten Lebewesen unter dem Mikroskop untersuchen. Mrs. Wheeler hatte Tümpelwasser als Beispiel vorgeschlagen. Die Probe meines Freundes Paul Dill war ein kleiner Fisch, der sich zu Tode gefressen hatte.
Zunächst drückte Paul sein Erstaunen darüber aus, dass ich die Erfahrung eines Orgasmus gemacht hatte. Dann darüber, dass ich so umsichtig war, die Biologieklasse auf diesen Umstand hinzuweisen. Drittens darüber, dass ich davon ausging, bei unserem Projekt damit zu glänzen.
So beginnt die Geschichte von Cedar, der damit einen mittelgroßen Aufruhr provoziert und sich bei dieser Gelegenheit in seine Mitschülerin Kat verliebt. Nach einer zarten Annäherung sammeln sie gemeinsam erste sexuelle Erfahrungen, die seltsam unbefriedigend bleiben. Dies ist ein Grund, aber nicht der einzige, weshalb ihre Beziehung endet.
Zwanzig Jahre später nimmt Kat plötzlich wieder Kontakt zu Cedar auf. Sie ist inzwischen eine erfolgreiche Schriftstellerin. Cedar trifft sich mit ihr in einem Motel, wo er ein Manuskript prüfen soll, das Kat über ihre gemeinsame Vergangenheit geschrieben hat. Teile davon sogar aus Cedars Perspektive. Die Anwälte des Verlages wollen sichergehen, dass er Kat nach dem Erscheinen des Buches nicht verklagt. Schnell muss er feststellen, dass sich seine Erinnerung an die damaligen Ereignisse nicht mit denen im Manuskript deckt.
Der reißerische Titel »Sperm & Egg« schießt weit über das Ziel hinaus. Das Buch ist keine hippe Groteske, wie einem Titel und Cover suggerieren wollen, sondern eine humorvolle Liebeskomödie, fernab jeglichen Kitsches. Die Vergleiche im Klappentext mit Rick Moody und Michael Chabon treffen Inhalt und Form des Buches sehr viel genauer, ebenso wie der Originaltitel »Misconception«.
Es sind herrlich verrückte Dialoge, die das Buch ausmachen. Beispielsweise wenn der gläubige Freund von Kats Mutter den naturwissenschaftlich orientierten Cedar ins Kreuzverhör nimmt, während die beiden Frauen versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Genaue Beobachtung der zwischenmenschlichen Beziehungen und ein durchgehender Spannungsbogen sind weitere Stärken des Romans.
So nimmt die anfangs humorvolle Geschichte einen dramatischen Verlauf, als Kat durch eine unbedachte Bemerkung eine Kettenreaktion auslöst. Erst nach und nach werden die damaligen Ereignisse im Rückblick beleuchtet. Aber darüber soll hier nichts verraten werden.
»Sperm & Egg« ist die erste deutsche Veröffentlichung von Boudinot und bisher leider die einzige. Hoffen wir, dass auch seine anderen Werke noch übersetzt werden.
Ryan Boudinot: Sperm & Egg. Eine Liebesgeschichte | Deutsch von Silke Jellinghaus
rororo 2010 | 218 Seiten | Jetzt bestellen