Nina George: Das TraumbuchMit dem Roman »Das Lavendelzimmer« hat Nina George internationale Bestsellergeschichte geschrieben. »Das Traumbuch« soll nun nachziehen.

In ihrem neuen Roman geht es zunächst um die drei Personen Henri, Eddie und Sam. Henri rettet einem jungen Mädchen das Leben, wird unmittelbar danach aber von einem Auto erfasst und liegt jetzt im Koma. Er war gerade auf dem Weg zu Sam gewesen, seinem Sohn. Beide waren sich noch nie begegnet. Die Mutter war gegen diesen Kontakt, doch Sam hatte sich darüber hinweg gesetzt und seinen Vater zu einem Treffen eingeladen. Der Unfall kommt ihnen dazwischen.

Schließlich ist da noch Eddie, eigentlich Edwina. Sie ist die Ex-Freundin von Henri. Vor zwei Jahren hatte Henri ihr gesagt, dass er sie nicht liebt. Doch sie wird nach dem Unfall von der Klinik informiert, weil sie noch in Henris Patientenverfügung als wichtige Kontaktperson eingetragen ist. Ein schwieriger Moment in mehrfacher Hinsicht, denn sie hatte gerade erst mit ihrer Liebe zu Henri abgeschlossen und einen neuen Lebensgefährten gefunden.

In dieser Konstellation entwickelte Nina George eine gefühlvolle, nicht immer schmerzfreie Beziehungsgeschichte. In von ihr gewohnter Weise findet sie bildreiche und treffende Worte, Metaphern und Vergleiche, um den Leser die Emotionen aller Protagonisten mitspüren zu lassen. Die Kapitel sind immer aus der Sicht eines der Protagonisten erzählt, jeweils in der ersten Person. Das animiert den Leser, das Geschehen und vor allem die Gefühle der einzelnen Figuren mitzuerleben und zu fühlen. Menschen mit ähnlichen Erfahrungen werden in der einen oder anderen Situation viel Empathie empfinden können. In den von den Figuren gemeinsam erlebten Situationen werden winzige Überschneidungen aus unterschiedlichen Perspektiven dargeboten, um so immer einen neuen Standpunkt einnehmen zu können. Ich fühlte mich sehr wohl damit.

Womit ich mich zunächst weniger wohl fühlte (die Betonung liegt auf »zunächst«), war das Thema Krankheit und Tod. Krankenhaus, Schläuche, Apparate und Kanülen, nichts für mich. Vielleicht war die authentische Gestaltung der Gefühle daran Schuld. Doch die Geschichte der drei Personen wird so packend, dass man sich ihr nicht verschließen kann und sie einfach mögen muss. Der Gegenspieler, der zwar in jeder Zeile des Romans mitschwingt, gibt so viel Raum, dass sich Sympathie für alle Beteiligten, sowohl für Haupt- als auch Nebenfiguren, zwangsläufig einstellt. Es braucht nur eine gewisse Zeit der Annäherung, des Kennenlernens, damit sich eine intensive Beziehung zwischen Leser und Protagonisten aufbauen kann. Bis es schließlich zu einer ersten Gänsehaut kommt, wenn der junge Sam zwei Menschen ein Versprechen gibt. Spätestens ab hier wird man in das Buch hineingezogen.

Auf diese Weise, gefesselt in einer Klinik, erzählt Nina George die Lebensgeschichte dreier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ob es sich dabei um die Erlebnisse des Kriegsberichterstatters Henri handelt, der auch in Afghanistan unterwegs war, die Überlegungen der Verlegerin Eddie, um guten Geschichten eine Chance zu geben, oder das Erwachsenwerden des pubertierenden Teenagers Sam. Ein großartiger Roman um Liebe, Sehnsucht, Verlassensein und Erwachsenwerden.

Nina George: Das Traumbuch | Deutsch
Knaur 2016 | 416 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen