Nick Hornby: Juliet, nakedSie waren von England nach Minneapolis geflogen, um sich ein Klo anzuschauen. Diese schlichte Wahrheit dämmerte Annie erst, als sie tatsächlich davorstanden: Abgesehen von den Graffitis an den Wänden, von denen sich einige auf die Bedeutung dieses Klos für die Musikgeschichte bezogen, war es feucht, dunkel, verpestet und absolut durchschnittlich. Amerikaner waren wirklich Meister darin, das Beste aus ihrem schmalen historischen Erbe herauszuholen, aber hier stießen selbst sie an ihre Grenzen.

Das Buch beginnt mit der Besichtigung einer Toilette, deren Besuch den Rockstar Tucker Crowe vor zwanzig Jahren dazu veranlasst haben soll, seine Karriere aufzugeben. Duncan, der ultimative Fan, schleppt seine langjährige Freundin Annie an diesen und andere wichtige Schauplätze im Leben seines Idols. Annie erträgt die Leidenschaft ihres Freundes, auch wenn sie gelegentlich genervt davon ist.

Als sie in Duncans Post das Vorabexemplar einer neuen Veröffentlichung des untergetauchten Rockstars findet, hört sie sich die CD an. Es handelt sich um die akustische Rohfassung des späteren Erfolgsalbums Juliet und soll nun unter dem Titel »Juliet, naked« veröffentlicht werden.

Annie ist wenig begeistert, doch Duncan hält diese Version für die bessere, wenn nicht sogar für das beste Album aller Zeiten und wirft seiner Freundin vor, diese Brillanz nicht erkennen zu können. Verärgert stellt Annie ihre Einschätzung ins Netz und erhält kurz darauf eine E-Mail – von Tucker Crowe.

Hornby beleuchtet in seiner Geschichte beide Seiten des Fantums. Den Fan selbst und dessen Partner, die damit zurecht kommen müssen. Er findet zahlreiche Weisheiten zu diesem Thema, genauso wie zu Partnerschaft und Musik im Allgemeinen. Die Manirismen eines Fans werden ernstgenommen und trotzdem durch den Kakao gezogen. Man merkt deutlich, dass Hornby selbst ein begeisterter Fan ist. Allerdings mit der Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstironie.

Den Humor von Nick Hornby kann man nicht häufig genug loben, da er so entwaffnend und sympathisch daherkommt und nicht auf eine schnelle Pointe aus ist. Seine Figuren blamieren sich dermaßen, dass man als Leser mit dem Fremdschämen nicht hinterherkommt, aber sie werden nie ihrer Würde beraubt. Sie verhalten sich alle dämlich, gemein, vorbildlich und bewunderswert, ohne dass Hornby einen von ihnen bevorzugen würde. Man hat sie längst alle ins Herz geschlossen, wie gute Freunde, die, was auch immer sie anstellen, trotzdem weiter mag.

Helmut Zierl liefert als Sprecher eine hervorragende Leistung ab, indem er hinter der Handlung zurücktritt und nicht durch Überbetonung oder andere Mätzchen auf sich aufmerksam macht. So kann man völlig in die Geschichte versinken und merkt erst im Nachhinein, dass er »Juliet,naked« die perfekte Stimme gegeben hat.

Nick Hornby: Juliet, naked | Hörbuch | Deutsch von Clara Drechsler und Harald Heilmann
Gelesen von Helmut Zierl | Der Hörverlag 2009 | 6 CDs | Jetzt bestellen