Die Bestien des Abaddon saßen in der Pizzeria Jerry 2 in Oriolo Romano und hielten eine Versammlung ab. Die Lage war kritisch. Wenn es nicht gelang, das Ruder wieder in die Hand zu bekommen, dann war das vielleicht die letzte Zusammenkunft der Sekte. In letzter Zeit war die Gruppe bedrohlich geschrumpft. Paolino Scialdone, genannt der Sensenmann, war als Erster abgesprungen. Kurz danach hatte sich Antonello Agnese, genannt Molten, eine gebrauchte Harley Davidson gekauft und war zu den Hells Angels in Subiaco gegangen. Und zu guter Letzt hatte Pietro Fauci, genannt Nosferatu, Mantos‘ rechte Hand und Gründungsvater der Bestien, geheiratet und in Abetone ein Sanitärgeschäft eröffnet. Nun waren sie nur noch zu viert.
Die »Bestien von Abaddon«, eine italienische Satanssekte, ist von akutem Mitgliederschwund bedroht, während ihre Konkurrenten, die »Kinder der Apokalypse«, immer mehr Zulauf bekommen. Mantos, der Anführer der »Bestien«, wird ständig von seiner Ehefrau gegängelt und von dem übermächtigen Schwiegervater tyrannisiert, in dessen Möbelhaus er arbeitet. Deshalb sucht er nach einer Idee für eine aufsehenerregende Aktion.
Er erfährt von einem Immobilienhai, der ein Fest in seiner Villa mit Park und Privatzoo veranstalten will, wie sie zu Zeiten der alten Römer gefeiert wurden. Die gesamte italienische High Society wird antreten für eine mehrtägige Party voller kulinarischer Ausschweifungen samt einer Tigerjagd mit Elefanten. Genau dort plant Mantos die öffentliche Enthauptung einer Abtrünnigen der Satanistenszene, die inzwischen als Popsängerin ein Millionenpublikum hat. Die Aktion soll ein Selbstmordkommando sein, was nicht allen Mitgliedern der Sekte bekannt ist.
Ebenfalls auf der Feier ist der berühmte Schriftsteller Fabrizio Ciba, der in ständiger Angst vor fehlender Anerkennung und verblassendem Ruhm lebt. Ein neuer Literaturshootingstar sitzt ihm im Nacken, quasi eine jüngere Version seiner selbst, und schreibt einen Hit nach dem anderen, während Ciba seit drei Jahren nichts Erwähnenswertes mehr verfasst hat. Außerdem droht auch noch ein Sexvideo im Netz zu erscheinen, das ein abgebrühter Teenager von seiner Mutter und Ciba aufgenommen hat.
Die Handlungen werden parallel erzählt und so folgt man abwechselnd dem Satanisten Mantos und dem Schriftsteller Ciba durch eine Szenerie wie aus einem Fellini-Film. Voller grotesker Szenen und aberwitziger Verwicklungen. Alles deutet auf eine vergnügliche Sause in Tom-Sharpe-Manier hin, doch so einfach macht es der Autor seinem Leser nicht. Die witzige Ausgangslage wird immer dramatischer und die Ereignisse mit blutigem Ernst vorgetragen. Statt einer überdrehten Satire erlebt der Leser eine harte Abenteuergeschichte.
Das Tempo zieht nach dem ersten Drittel unglaublich an. Doch es war gerade dieser Anfangsteil, der sich der Vorstellung der beiden Hauptfiguren widmet, der mich für dieses Buch so eingenommen hat. Dort wird auf vergnügliche Art beschrieben, wie schnell das Glück umschlagen kann. Nachdem die Figuren positioniert sind, lässt Ammaniti die Zügel schießen und hetzt von einer Sensation zur nächsten. Was durchweg spannend, amüsant und in einem ausgezeichneten Stil geschrieben ist.
»Lasst die Spiele beginnen« könnte keinen treffenderen Titel besitzen und macht neugierig auf weitere Werke von Ammaniti, der nach Umberto Eco der erfolgreichste Autor Italiens ist.
Niccolò Ammaniti: Lasst die Spiele beginnen | Deutsch von Petra Kaiser
Piper 2013 | 336 Seiten | Jetzt bestellen