Fast könnte man meinen, der Titel des Buches habe etwas mit der Zigarette zu tun, die der Autor auf dem Titelbild so provokant inhaliert. Doch hier geht es um den Kultautor H. P. Lovecraft, der keine Zigaretten brauchte, um einen ungesunden Lebensstil zu pflegen. Er hatte nämlich gar kein Leben.
»Wer das Leben liebt, liest nicht. Und er geht erst recht nicht ins Kino. Was immer auch darüber gesagt wird, der Zugang zum künstlerischen Universum ist mehr oder weniger für jene reserviert, die ein wenig die Schnauze vollhaben«, behauptet Houellebecq. Wenn dies stimmt, hatte kaum jemand die Schnauze so gestrichen voll wie Lovecraft.
Der Autor verbrachte, abgesehen von einer kurzen Ehe, fast sein gesamtes Leben zurückgezogen im stillen Kämmerlein, von dem aus er die Welt mit Argwohn und Verachtung beobachtete. In seinen Briefen bedauerte er oft den Verlust der Kindheit. Sie war wohl die einzige Zeit seines Lebens, in der er wirklich glücklich war. So überrascht es nicht, dass er am Ende seiner Pubertät einen Nervenzusammenbruch erlitt, der ihn gänzlich aus der Bahn warf. Sex, Status, der Wettbewerb und das Gewinnstreben des Berufslebens, all das widerte ihn an.
Lovecraft sah sich als Gentleman der alten Schule, für den selbst ein Leben als Schriftsteller würdelos erschien. Trotzdem lebte er ganz allein für seine Kunst; jene Horrorgeschichten, die ihn – wie könnte es anders sein – erst nach seinem Tod berühmt machten. Dass Houellebecq sich von diesem Moralisten und Puritaner angezogen fühlt, verwundert nicht, da er selbst mit seiner ans Reaktionäre grenzenden Gesellschaftskritik oft genug aneckte. Interessant ist auch sein minutiöses Wissen auf dem Gebiet der Trivialliteratur.
H. P. Lovecraft starb arm und vereinsamt im Alter von nur 47 Jahren. Kurz nach seinem Tod begann jedoch der Kult um ihn. Seine Geschichten, Fragmente und sein voluminöser Briefwechsel wurden später in unzähligen Sammelbänden und Anthologien verramscht. Heute gibt es fast hundert mehr oder weniger misslungene Filme, blutrünstige Computerspiele und Comics, die auf seinen Motiven basieren. Vom Geist des Autors ist in diesen Machwerken meist nichts zu finden, dessen Geschichten selbst nach wie vor eine Nischenexistenz führen.
Lovecraft ist ein Kultautor reinsten Wassers, der keine Zugeständnisse an den Massengeschmack machte. Diese Kompromisslosigkeit begründete seinen Ruhm wie sein Scheitern als Mensch. Sein Wahn und seine Zwangsvorstellungen verliehen seiner Stimme etwas Einzigartiges, was man seit Edgar Allan Poe nicht erlebt hatte. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch ein krankhafter Rassismus, der laut Houellebecq in seinem Werk eine entscheidende Rolle spielte. Bei aller Tragik war Lovecraft kein Mensch, der es einem leicht machte ihn zu mögen.
Auch wenn das Buch nur sehr schmal ist, enthält es neben einem amüsanten Vorwort von Stephen King alles, was man über Lovecraft wissen muss. Zumindest mich hat es inspiriert, die alten Geschichten des Großmeisters wieder herauszukramen. Die Fans von Houellebecq dürfte diese Liebeserklärung jedoch kaum interessieren.
Michel Houellebecq: Gegen die Welt, gegen das Leben | Deutsch von Ronald Voullié
rororo 2007 | 128 Seiten | Jetzt bestellen
Ein wirklich lesenswerter Essay – die Perspektive, die Houellebecq auf den Schreibstil Lovecrafts einnimmt, um die Frage zu klären, wie seine Werke eine so eigentümliche Wirkung entfalten können, ist hochinteressant – auch wenn H. manchmal kleine sachliche Fehlerchen unterlaufen.