In einer Kirche in Mobile, Alabama, kommen die Familien McCray und Savage zusammen, um der Verstorbenen (und sicherlich nicht bei allen beliebten) Marian Savage die letzte Ehre zu erweisen. Aber diese Trauerfeier weicht gegen Ende vom allseits üblichen und anerkannten Prozedere ab und konfrontiert den Leser bereits im Prolog des Romans mit einem ersten Schockmoment, der ihn verstört und neugierig zurücklässt. Viel besser kann ein Horrorroman kaum starten, oder?
Alabama, im Südosten der Vereinigten Staaten und grenztechnisch in »Schlagdistanz« zu New Orleans, gibt mit seiner schwülwarmen bis sehr heißen Witterung den Rahmen für den Southern Gothic Horror vor, der im Laufe des Romans in Beldame kulminiert, genauer gesagt in drei baugleichen viktorianischen Villen, die wie aus Zeit und Raum gefallen anmuten, denn ansonsten gibt es dort nicht viel außer einer Menge Wasser und noch viel mehr Sand. Unendlich viel Sand…
Eines der drei Häuser ist eine sehr innige – wenngleich unfreiwillige – Liaison mit jenem Lockergestein eingegangen, denn im Laufe der Jahre wurde es mehr und mehr von Sand bedeckt, immer höher türmte er sich und begrub so nach und nach große Teile des Hauses unter sich. Beldame fungierte seit jeher als Ferienrückzugsort für die Familien McCray und Savage, denn die zwei vom Sand verschonten Häuser sind intakt und laden zu exzessivem Nichtstun ein. Als die beiden Familien sich dorthin begeben, um fernab jeden Trubels die Stille zu genießen (und so manche familiären Probleme sowie später auch Schrecken aufzuarbeiten, von denen im Laufe der Geschichte immer mehr ans Tageslicht kommen), hält langsam, aber sicher das Grauen Einzug, denn offenbar geht es im dritten Haus nicht mit rechten Dingen zu.
Michael McDowell erzählt in dieser Geschichte in der Tradition Algernon Blackwoods, eines bekannten englischen Verfassers von Geistergeschichten, dessen Erzählungen gerne auch die Natur als Quelle unbegreiflicher und nicht zu fassender übersinnlicher Phänomene schildern. Bei der Lektüre von »Die Elementare« musste ich jedenfalls das eine oder andere Mal an blackwoodsche Geschichten wie »Rächendes Feuer« (»The Nemesis of Fire«) sowie »Sand« denken.
McDowell ist mit »Die Elementare« (ich mag mich mit dem Titel nicht so recht anfreunden, er fühlt sich irgendwie »nicht rund« an) im Jahr 1981 ein außergewöhnlich spannender Geisterhausroman gelungen, der mit einem sehr ungewöhnlichen Setting aufweist (Alabama, Sand, »Naturerscheinungen«). Das Werk ist aktuell (November 2024) im Festa Verlag als Taschenbuch erhältlich.
Michael McDowell: Die Elementare | Deutsch von Patrick Baumann
Festa Verlag 2024 | 416 Seiten | Jetzt bestellen