Michael Connelly: ScharfschussDer einst mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalist Michael Connelly gilt nicht nur in Hollywood als Meister des Crime. Seine Romane werden gerne verfilmt, u. a. mit Clint Eastwood und Titus Welliver. Letzterer in der erfolgreichen TV-Serie um den Kriminalpolizisten Hieronymus (Harry) Bosch vom LAPD.

In dem hier besprochenen Roman »Scharfschuss« steht Harry Bosch kurz vor der Pensionierung. Er arbeitet in der Abteilung für kalte Fälle (cold cases) und ihm wurde eine junge Kollegin als Partnerin zugeteilt, der er einiges von seinem Wissen und seinen Erfahrungen abgeben soll. Sie werden bei einem Fall eingesetzt, der sich sich eigentlich schon vor zehn Jahren ereignete. Ein mexikanischer Musiker wurde damals bei einem Open-Air-Auftritt auf einem großen Marktplatz von einer Kugel getroffen. Die Ermittlungen verliefen im Sande, die Kugel war im Knochen des Mannes stecken geblieben.

Doch erst jetzt starb das Opfer daran, und die Kugel konnte gefahrlos aus dem Körper entfernt werden. Damit wurde der Fall wieder aufgenommen. Ein Fall für Harry Bosch und seine neue Partnerin. Letztere schleppt allerdings ein über 20 Jahre altes Trauma mit sich herum. Eine Tragödie, ein Verbrechen in ihrer Kindheit, hat dazu geführt, dass sie zur Polizei gegangen ist.

Connelly schreibt ruhig und trocken. Man gerät beim Lesen nicht außer Puste, aber es zieht und kribbelt unaufhörlich. Profunde Kenntnisse um die Strukturen der Polizei von L.A., den Arbeitsweisen und den Ermittlungsmethoden werden authentisch wiedergegeben.

Anders als in Filmen, wo so manches erfunden wird, damit die Dramaturgie passt, bezieht Connelly die Realität ein. Das bezieht sich nicht nur auf die Arbeit der Behörden, sondern auch auf Ereignisse und Besonderheiten in der Stadt der Engel. Diesen Krimi nicht als Regionalkrimi zu bezeichnen, wäre Ignoranz. Oft genug fährt man mit Bosch und seiner Partnerin durch die Straßen von L.A., mal im Stau, mal rasant, lernt ganze Straßenzüge kennen, kann sich mit ihnen einen Kaffee holen.

Ein fantastischer Roman, den man keinesfalls sehr schnell durchliest, obwohl man dem Ende entgegenfiebert. Ein Genusskrimi, der seinen Erfolg in der deutschen Fassung sicherlich auch der hervorragenden Übersetzung von Sepp Leeb zu verdanken hat.

Michael Connelly: Scharfschuss | Deutsch von Sepp Leeb
Droemer Knaur 2016 | 458 Seiten | Jetzt bestellen