Er hörte jemanden »Bruno« rufen, drehte sich um und sah ein hübsches schlankes Mädchen mit hellen Haaren herbeilaufen. Sie sprang über einen Haufen ausgehobener Erde und warf sich ihm in die Arme.
»Dominique«, begrüßte er sie freudig. Er kannte sie seit ihrer Kindheit. Ihr Vater, Stéphane, war ein Jagdgefährte. Er führte eine kleine Milchwirtschaft in den Hügeln und stellte den tomme d’Audrix her, Brunos Lieblingskäse.
Seit Brunos Ankunft in Saint-Denis durfte er jeden Winter an der Schlachtung des Hausschweins teilnehmen, wobei ihm und Dominique die Aufgabe zufiel, dessen Innereien im kalten Wasser des nahen Flusses zu waschen. Jetzt studierte Dominique an der Universität in Grenoble und war aktives Mitglied der Grünen Partei.
»Ich wollte sowieso zu euch auf den Hof kommen. Dein Vater hat mich Sonntag zum Mittagessen eingeladen.«
»Bist du wegen des Toten hier?«, fragte sie und hakte sich bei ihm unter.
Bei archäologischen Ausgrabungen wird eine Leiche gefunden, die wesentlich jünger ist als die übrigen Funde und Spuren eines Gewaltverbrechens aufweist. Gleichzeitig werden auf mehrere Bauernhöfe, die Gänseleberproduktion betreiben, Sabotageakte verübt.
Als wäre dies nicht genug, findet auch noch eine Anti-Terror-Konferenz statt, die die Aufmerksamkeit von Terroristen auf sich zieht. Sehr viel Aufregung für ein beschauliches Städtchen im Südwesten Frankreichs und seine Bewohner.
Im inzwischen vierten Fall von Bruno, Chef de Police von Saint-Denis im Périgord, dreht sich trotz allem wieder einmal alles um das Essen und das einfache Leben auf dem Land. Die ausschweifend zelebrierte französische Lebensart ist sicher zu einem nicht geringen Teil für den großen Erfolg der Romane verantwortlich. Hier wird über Wein philosophiert, die Herstellung von Gänseleber zum Politikum und immer wieder trifft man sich zu kleinen oder großen Mahlzeiten, deren Zubereitung ausführlich geschildert wird.
Kleine Verfehlungen werden von der Polizei lax gehandhabt, aber größere Verstöße unnachgiebig verfolgt. Dabei wird der oft beschworene gesunde Menschenverstand stets als höhere Instanz als das Gesetzbuch angesehen. Gerne und häufig wird gegen Brüssel gewettert, wo man nichts Besseres zu tun hat, als anständigen und hart arbeitenden Menschen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Die Bücher funktionieren jedes Mal nach dem gleichen Rezept und man muss sagen, sie funktionieren jedes Mal. Herrlich anzuschauen wie ein Soufflé, so lange man nicht hineinsticht. Die Mischung aus heimeliger Kleinstadtidylle und knallhartem Politthriller machen einfach Spaß und man kehrt immer wieder gerne für einen neuen Fall in den Ort zurück.
Martin Walker: Delikatessen | Deutsch von Michael Windgassen
Diogenes 2012 | 403 Seiten | Jetzt bestellen