Mark Twain: The Adventures of Huckleberry FinnOther places do seem so cramped up and smothery, but a raft don’t. You feel mighty free and easy and comfortable on a raft.

»The Adventures of Huckleberry Finn« wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlicht und hatte seitdem immer begeisterte Leser. Vielleicht, weil es eine Aussteigergeschichte ist. Wer träumt nicht davon, die Zivilisation mit all ihren nervigen und hoffnungslos kompliziert scheinenden Vorschriften und Zwängen hinter sich zu lassen und stattdessen ein Leben in vollkommener Freiheit und im Einklang mit der Natur zu führen?

Huck jedenfalls hat genug vom Leben bei seiner Adoptiv-Tante und ihren Versuchen, ihn zu einem sittsamen Menschen zu erziehen, und auch genug von seinem Vater, der ihn schlägt. Er läuft davon, inszeniert seinen eigenen Tod, lässt sich auf einem Floß den Mississippi entlang treiben, trifft unterwegs Jim, den entlaufenen Sklaven seiner Adoptiv-Tante, und reist mit ihm zusammen weiter. All das wirkt extrem authentisch und glaubhaft, weil Mark Twain Huck seine Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählen lässt und in einer Sprache, die genau seinem jungendlichen Charakter entspricht.

Huck hat außerdem eine ungeheure Fähigkeit, sich an einfachen Dingen – eigentlich an allem, was ihm so begegnet – zu erfreuen: an jeder Art von Wetter, der Natur rund um den Fluss in allen Formen, sogar an Trickbetrügern und Zirkussen. Er ist großzügig und findet in allem und jedem etwas Positives, lässt jeden spinnen, wie er will, und besitzt einen fast unerschöpflichen Vorrat an Mitgefühl, was die Schilderung seiner Mitmenschen meistens sehr amüsant macht.

Das Einzige, was Huck belastet, ist der Gewissenskonflikt darüber, dass er dem Sklaven seiner Adoptiv-Tante zur Flucht verhilft, obwohl sie ihm nur Gutes getan hat. Gleichzeitig verstößt er damit natürlich gegen die Überzeugungen, die ihm seine Gesellschaft eingeimpft hat. Trotzdem kommt er für sich selber zu dem Schluss, dass es für ihn richtig ist, Jim zu helfen. Er handelt nach seinem Bauchgefühl, das er aber erst einmal aufspüren muss.

Hucks Geschichte handelt also auch von einem zeitlosen Konflikt – vielleicht dem zentralen Konflikt des modernen Menschen – zwischen Individuum und Gesellschaft, davon, wie der Mensch seine eigenen Überzeugungen erst einmal findet und dann gegen die Normen seiner Gesellschaft verteidigt beziehungsweise eine Lösung findet, beides miteinander in Einklang zu bringen.

In »The Adventures of Huckleberry Finn« geht dieser Konflikt für alle Beteiligten gut aus – vielleicht ist es dieser Optimismus, der dem Buch dauerhaft so viele Leser beschert. Der Roman ist erst vor kurzem in einer neuen, hervorragenden Übersetzung von Andreas Nohl im Hanser Verlag erschienen.

Mark Twain: The Adventures of Huckleberry Finn | Englisch
Penguin Popular Classics 1994 | 288 Seiten | Jetzt bestellen