Margarete Stokowski: Die letzten Tage des PatriarchatsDieses Mal kann ich behaupten, das letzte Jahr bestmöglich abgeschlossen und das neue bestmöglich begonnen zu haben. Dazu brauchte es keine guten Vorsätze, sondern nur ein gutes Buch: »Die letzten Tage des Patriarchats« von Margarete Stokowski.

Wie der Titel schon verrät, geht es viel um Feminismus und Sexismus, aber auch um Rechtsextremismus, Medien und Männer. Im Grunde geht es um eine ganze Menge. Stokowski hat viele ihrer Kolumnen, Essays und Artikel gesammelt und in diesem Buch als ein Gesamtwerk präsentiert. Das Ergebnis? Sehr empfehlenswert! Und um eines gleich klarzustellen: Dies ist kein Buch für Frauen, es ist ein Buch, das alle im Regal stehen haben und sich zu Herzen nehmen sollten. Klug und witzig kommentiert Stokowski die Ereignisse und Debatten dieser Zeit ohne dass sie ihren Ernst verlieren. Wer glaubt, der Feminismus müsste doch jetzt bald mal alles haben, was er will, wird durch diese Lektüre eines Besseren belehrt.

Wir sind immer noch viel zu sehr mit der Idee vertraut, dass die Macht normalerweise in den Händen von Männern liegt und dass Männer definieren, was vernünftig ist, welche Arbeit wertgeschätzt wird und wer angebetet wird.

Margarete Stokowski trifft in jedem ihrer Texte den Nagel auf den Kopf. Doch weil die Wahrheit meistens unbequem ist, schlägt ihr oft ein scharfer Wind entgegen. So legt sie nach einigen Texten Kommentare und Nachrichten offen, die ihr rechte Trolle, Sexisten und andere unserer lieben Mitmenschen haben zukommen lassen. Alle kennen die Regel: Lies niemals Kommentare im Internet, und Stokowski erinnert uns wieder daran, warum. Doch eigentlich hat sie den besten Weg gefunden, mit ihnen umzugehen: Sie lässt sich eben nicht nur beschimpfen, sondern nutzt aktiv die Kommentare, um sie in ihrem Buch zu entwerten – im Prinzip das gleiche Konzept wie bei Hate Slams: Nimm, was sie dir geben und schleudere es zurück!

Stokowski hat diese Kunst perfektioniert und schafft es dabei sogar, den einen oder die andere zum Zweifeln zu bewegen. Sie hat verstanden, was viele nicht ernst genug nehmen: die Macht von Sprache. Ähnlich wie »Gutmensch« ist auch »Political Correctness« zu einer Art Schimpfwort avanciert, das immer dann angewendet wird, wenn Leute merken, dass man eben nicht einfach mit Wörtern um sich werfen sollte, wie man gerade möchte. Das mag vielleicht anstrengend erscheinen, ist aber die Mühe wert, wenn wir sensibel und respektvoll miteinander umgehen wollen.

So viel Feinfühligkeit darf man erwarten, nicht von Krieg zu sprechen, wo kein Krieg ist und von Mord, wo Mord ist. Wörter sind relevant, wir verbinden in unseren kleinen, schmutzigen Hirnen Dinge mit ihnen, auch unbewusst. Wer »Krieg« sagt, ruft andere Assoziationen hervor, als wenn er sagt: Debatte. Ein ständiges Bemühen. Lauter kleine Versuche, etwas besser, gerechter, würdiger zu machen.

Wer für eine gerechte, feministische und bessere Welt kämpft, hat es in der Regel schwer. Umso schöner ist es doch, endlich mal ein Buch zu lesen, bei dem man nach jedem Kapitel denkt: Jawoll, so isses! Gleichzeitig erinnert es daran, warum wir uns engagieren sollten, warum der Feminismus noch lange nicht sein Ziel erreicht hat und warum wir sensibel bleiben müssen in einer Welt, die noch immer von Gewalt gekennzeichnet ist. Macht muss verteilt und denen genommen werden, die sie missbrauchen, denn nicht zuletzt handelt dieses Buch auch von den vielen namenlosen Opfern uralter Ungleichverteilung:

Man muss Tätern wegnehmen, was sie zu Tätern werden ließ: ihre Macht – und Macht entsteht durch Zusammenarbeit. Kein Mensch kann das allein, er braucht ein System aus mitwissenden und mitspielenden Menschen, die seine Übergriffe mitermöglichen, schönreden und beschweigen, und Opfer, die zu viel zu verlieren haben, wenn sie sprechen. Übergriffe passieren da, wo die Angst vor den Konsequenzen nicht groß genug ist.

Also lasst es uns angehen. Lest dieses Buch, verschenkt es an die buckelige Verwandtschaft oder betrachtet es als Neujahrsvorsatz. Es lohnt sich!

Margarete Stokowski: Die letzten Tage des Patriarchats | Deutsch
Rowohlt 2018 | 320 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen