Marc-Uwe Kling: QualitylandWillkommen in Qualityland. Willkommen im Land der Superlative. Hier existiert die neueste Zeitrechnung und die Menschen sind keine Standardmenschen mehr, sondern Qualitätsmenschen. Du kannst die Städte Growth, Progress, Profit und QualityCity besuchen und all die Luxusgüter bestaunen, die der Fortschritt mit sich gebracht hat: Selbstfahrende Autos, die mit dir ein kleines Schwätzchen halten, Apps, die dir den perfekten Partner oder die perfekte Partnerin vermitteln, aber auch Unternehmen, die dir deine gewünschten Produkte liefern, noch ehe du wusstest, dass du sie dir wünschst! Es ist ein Traum für Leute, die keine Entscheidungen treffen können, denn in Qualityland lautet die Antwort auf alle Fragen: OK.

Ein Bewohner dieser perfekten Welt ist Peter Arbeitsloser. Er selbst ist nicht arbeitslos, aber sein Vater war es und nach dem werden Söhne in Qualityland benannt. Peter selbst ist Maschinenverschrotter und da es in Qualityland sehr, sehr viele Maschinen gibt, hat er auch immer was zu tun. Ganz perfekt führt Peter diesen Job allerdings nicht aus, denn er hat ein viel zu großes Herz für seine kaputten Schützlinge. Darunter fallen zum Beispiel Mickey, ein Kampfroboter mit posttraumatischer Belastungsstörung, Romeo, ein Sexdroide mit Erektionsstörungen oder Carrie, eine Drohne mit Flugangst. Aber das sind nur einige Bewohner, die in Peters Keller anzutreffen sind.

Unter den zweiunddreißig weiteren Maschinen sind noch ein Operationsassistent, der kein Blut sehen kann, ein Staubsauger mit Messie-Syndrom, ein Bombenentschärfungsroboter, dessen Greifhände, wenn er aufgeregt ist, immer zu zittern beginnen, und ein elektronischer Rechtsanwalt, der seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, weil er eine Art Gewissen entwickelt hat.

Eines Tages bekommt Peter Post. Man hat ihm einen rosafarbenen Delfinvibrator geschickt. Bedauerlicherweise ist das überhaupt nicht, was Peter sich insgeheim gewünscht hat und er beginnt an dem System zu zweifeln. Mithilfe seiner Maschinen und einer neuen Freundin erkämpft er sich seinen Weg durch eine Welt, in der Widerstand zu einem verstaubten Fremdwort geworden ist.

Den meisten dürfte Marc-Uwe Kling durch seine Känguru-Chroniken bekannt sein. »Qualityland« ist nun sein erster Roman und er ist sich vollkommen treu geblieben. Urkomisch, aber intelligent zeichnet er ein Bild von einer Dystopie, in der den Menschen das Denken abtrainiert worden ist und der Kapitalismus ungeahnte Züge angenommen hat. Dabei greift er aktuelle Probleme auf: Wie gehen wir mit Hate Speech im Netz um? Wie weit darf Überwachung gehen? Wie weit dürfen Staat und Markt in das Leben von Privatpersonen eingreifen?

Der Roman erinnert an Orwells »1984«, nur verwendet er andere Mechanismen. Phänomene, die uns allen bekannt sind, werden von Kling überspitzt ins Lächerliche gezogen. Doch das Lachen bleibt einem zeitweise im Halse stecken, weil man bemerkt, dass es einen nicht wirklich überrascht, zu was die Menschheit in dem Buch fähig ist. Fast so, als würde man damit rechnen, dass es tatsächlich so kommen kann. Wie es der Klapptext schon perfekt beschreibt: Wie gehen wir mit einer Welt um, in der die Maschinen immer menschlicher, aber die Menschen immer maschineller werden?

»Qualityland« erinnert daran, wie wichtig es ist, sich das kritische Denken zu bewahren und es vor allem auch einzusetzen. Es handelt nicht nur von Digitalisierung und der Frage, wieweit Superintelligenz reichen kann, sondern in erster Linie von den Menschen, die ein solches System, wie es Qualityland ist, schaffen. Nicht nur für die Fans von den Känguru-Chroniken ist der Roman empfehlenswert (kleiner Spoiler: auch das Känguru lässt im Roman kurz grüßen), sondern auch für alle, die diese Welt nicht mehr verstehen, denn wie sagte einst Albert Einstein: »Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit …

Marc-Uwe Kling: Qualityland | Deutsch
Ullstein 2017 | 384 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen