Marc Degens: Unsere PopmoderneSeit siebenunddreißig Jahren arbeite ich für SÄKERHET, doch niemand weiß, wie ich aussehe. Ob ich ungepflegt zur Arbeit erscheine, in Jeans oder im Dreiteiler. Ob ich einen Bart trage, Brille oder Glatze. Ob ich groß bin oder klein, gedrungen oder schmal, blass oder braungebrannt, ob ich Handball mag oder Eishockey.

Ein doppelter Boris Becker, ein erloschener Schlagerstar auf großer Butterfahrt, eine schöne Frau mit täglich neuem Gesicht, das lyrisch-sexuelle Journal »Schwirrhölzer am Genfer See« oder »Schwitzkastenkinder«, der erste Hyperhidrose-Roman in deutscher Sprache, das alles und noch vieles mehr findet man in »Unsere Popmoderne«.

34 literarische Werke stellt der Autor Marc Degens in dem kleinen blauen Büchlein auszugsweise vor. Jedes Zitat ist anders als das andere, nur eins haben die vorgestellten Werke gemeinsam: Es gibt sie gar nicht! Degens zitiert aus Büchern, die nie geschrieben wurden. Und auch die dazugehörigen Autorenportraits, die sich noch unterhaltsamer lesen als die Zitate, sind frei erfunden, also Mythen statt Viten.

Zwei Jahre lang präsentierte Degens seine anspruchsvollen »Aprilscherze« in einer FAZ-Kolumne, bis sie 2005 auch in einem Buch zu finden waren. Seitdem erscheinen sie in der Literaturzeitschrift »Volltext«. Die hier vorgestellte Neuausgabe von »Unsere Popmoderne« aus dem Jahr 2010 bietet ein Best-of aus zehn Jahren – mit vielen erstmals in Buchform veröffentlichten Texten.

Einige Zitate von Degens entpuppen sich schnell als »Hurz!« von Hape Kerkeling, als eine Parodie auf verkopfte Literatur, in der ein Sinn nur schwer aufzuspüren ist, wie beispielsweise in dem vermeintlichen Book-On-Demand-Erfolg »Schwirrhölzer am Genfer See«:

Ein Sengen in den Venen, geschorfte Uniformen, die Sprache verschlagen, Konfetti, gelandet mit heißgemachtem Speichel nahe dem Gaumenzapfen. Boote versinken, der klartraumhafte Endmärzmorgen, die Gegensonnen, Schritte im Schilf, Trippeln auf Linoleum.

Andere Texte hingegen sind derart authentisch und ideenreich formuliert, dass zu Zeiten, in denen sie noch in der FAZ erschienen, nicht wenige ratlose Buchhändler in der Redaktion anriefen und fragten, wo man Bücher wie »Die Gemsjäger von Trikala« von Árpád Bölöni (Hebel auf Speed), »Die Hartzreise« von Andreas Löschau (ausgezeichnet mit dem Hungertuch-Preis des Hessischen Literaturbüros) oder »Vom Millionär zum Tellerwäscher« von Carla Corsia (Tochter des bekannten Mailänder Romanciers und Semiotikprofessors Bruno Corsia) bestellen könnte.

Was für ein schönes Lesevergnügen!

Marc Degens: Unsere Popmoderne | Deutsch
Verbrecher Verlag 2010 | 160 Seiten | Jetzt bestellen