Mit diesem Roman geht es in die »goldenen« 20er Jahre des letzten Jahrhunderts: ins dekadente Berlin der Nachtclubs und Kneipen, aber auch in den Dreck, in dem damals die Ärmsten leben mussten, ohne große Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Getrennt voneinander werden zwei männliche Leichen aufgefunden. Eine auf einem Ausflugsdampfer, die andere in einem Bus. Beide wirken, als würden sie schlafen oder nachdenken, nur scheinbar tot. Doch sie geben tatsächlich keinen Mucks mehr von sich.
Kerstin Ehmer entführt die Leserinnen und Leser mit ihrem Roman – ähnlich wie Volker Kutscher – in das Babylon Berlin. In der Stadt wimmelt es von Russen, die vor Lenin und der Revolution geflüchtet sind und auf eine baldige Rückkehr in ihre Heimat hoffen. Die Einführung in die Kriminalhandlung erfolgt behutsam. Zunächst beschreibt die Autorin das Milieu, stellt Jugendbanden, Gelehrte, Schriftsteller, Politiker und Architekten vor. In diesem Umfeld ermittelt Kommissar Ariel Spiro bereits zum zweiten Mal (nach »Der weiße Affe«) und muss sich dabei nicht nur mit Verbrechern auseinandersetzen, sondern sich auch gegenüber seinen Kollegen behaupten.
Begeistert haben mich beim Roman »Die schwarze Fee« vor allem die detail- und kenntnisreichen Schilderungen. Alles wirkt sehr authentisch. Man glaubt es zu hören, das Gekreische und Gegackere an der Panke von der Schönwalder Brücke herunter, und ist fasziniert von den Bildern, die im Kopf entstehen, wenn Kerstin Ehmer Straßenzüge und Alltagsleben beschreibt. Sie holt dabei so weit aus, dass der Kriminalfall in den Hintergrund gerät. Dennoch sind die eingangs erwähnten Toten Teil eines Spannungsbogens, der bis zum Schluss hält und gefüttert wird durch weitere Untaten der Figuren und den erstarkenden Nationalsozialisten.
»Die schwarze Fee« lässt einen so auf fesselnde Weise tief eintauchen in das Berlin der 20er Jahre.
Kerstin Ehmer: Die schwarze Fee | Deutsch
Pendragon 2019 | 400 Seiten | Jetzt bestellen