Eins vorweg: Ich bin kein gewalttätiger Mensch. Ganz im Gegenteil. Ich habe mich zum Beispiel in meinem ganzen Leben noch nie geprügelt. Und den ersten Menschen habe ich auch erst mit zweiundvierzig Jahren umgebracht. Was, wenn ich mich so in meinem heutigen beruflichen Umfeld umsehe, eher spät ist. Gut, in der Woche darauf hatte ich dann schon fast das halbe Dutzend voll.
Das klingt jetzt vielleicht erst einmal unschön. Aber alles, was ich getan habe, habe ich in bester Absicht getan. Es war das logische Ergebnis einer achtsamen Lebensumstellung. Um meinen Beruf und mein Familienleben in Einklang zu bringen.
Der Anwalt Björn Diemel ist ein Workaholic, der immer zu wenig Zeit für die Familie aufbringt. Deshalb wird er von seiner Frau gezwungen, an einem Achtsamkeits-Seminar teilzunehmen. Nach anfänglichem Sträuben lässt er sich auf die Kursinhalte ein und beginnt, seinen Alltag umzugestalten.
Leider ist sein Hauptmandant ein brutaler Gangsterboss, der gerade einen wichtigen Mitarbeiter eines gegnerischen Kartells angezündet und mit einer Eisenstange erschlagen hat. Vor den Augen einer kompletten Schulklasse und deren Handys. Er verlangt, dass Björn dieses Problem aus der Welt schafft, obwohl dieser gerade mit seiner kleinen Tochter in ein gemeinsames Wochenende unterwegs war.
Mehr denn je kommt es für Björn nun darauf an, den Regeln der Achtsamkeit zu folgen: auf seinen Atem zu hören, eine Situation nicht negativ zu bewerten und beim Anblick von Leichen die Nerven zu bewahren. Viel Glück, Björn.
Die Handlung erinnert an die beiden Serien »Breaking Bad« und »Better call Saul«. An erstere, weil hier ein relativ harmloser Familienvater immer weiter in kriminelle Verwicklungen verstrickt wird, an letztere, weil wir es mit einem Anwalt zu tun haben, der durch die Wahl seines Mandanten bewusst in dieses Milieu begeben hat.
Dem Autor gelingt es sehr gut, das Prinzip der Achtsamkeit darzustellen. Die Lektionen aus dem Buch seines Achtsamkeitscoachs, »Entschleunigt auf der Überholspur – Achtsamkeit für Führungskräfte«, leiten jedes Kapitel ein. Björn gibt sich große Mühe, die erlernten Techniken zu nutzen. Und die wenigsten Leser werden wohl in die Verlegenheit kommen, sie unter ähnlichen Umständen einsetzen zu müssen.
Aber auch ohne dieses Trendthema würde der Roman gut funktionieren, weil er die bekannte Geschichte des Helden, der unverschuldet in immer schlimmere Verwicklungen gerät, sehr gut umsetzt. Wobei der Held in diesem Roman nicht ganz so unschuldig ist, wie in manch anderen Geschichten, und er geht auch weniger zimperlich vor.
Manche Entwicklungen sind zwar schon weit im Voraus erkennbar (Elster, Sprachchip im Spielzeug), aber es bleiben noch genügend Überraschungen und nette Ideen für sehr unterhaltsame Stunden.
Im Mai erscheint bereits die Fortsetzung unter dem Titel »Das Kind in mir will achtsam morden«. Und sollte eine Verfilmung erfolgen, empfiehlt sich Sprecher Matthias Matschke für die Hauptrolle. Nach »Professor T« und »Pastewka« weiß man, dass er einen kaltschnäuzigen Anwalt ebenso überzeugend verkörpern kann, wie den besorgten Familienvater.
Karsten Dusse: Achtsam morden | Deutsch
Gelesen von Matthias Matschke | 6 CDs | Dauer: 7:22 Std.
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