Josephine Tey: Der Mord in der SchlangeWir befinden uns in London, inmitten der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Im Woffington, einem der vielen Theater Londons, läuft das Erfolgsstück »Didn’t you know?« in der finalen Woche. Endlose Schlangen vor der Theaterkasse spiegeln die Beliebtheit des Spiels und dessen Hauptdarstellerin Ray Marcable wieder, die nach Beendigung der Tournee über den großen Teich nach Amerika gehen wird. Da nicht davon auszugehen ist, dass sie in absehbarer Zeit noch einmal zurückkehren wird (falls überhaupt), sind dies die letzten Gelegenheiten das gefeierte Stück und ihren strahlenden Star noch einmal sehen zu können.

Das Gedränge vor den Türen der Spielstätte ist groß, der Unmut der zum Teil seit Stunden wartenden Menschen wächst kontinuierlich an, und immer wieder kommt es zu Drängeleien, Beschimpfungen und kleinen Disputen. Niemand möchte am Ende zu denen gehören, die leer ausgehen und ohne Eintrittskarte wieder den Heimweg antreten müssen. Innerhalb dieser wogenden Menge geschieht ein Mord. Ein junger Mann wird hinterrücks erstochen, und obwohl er von wartenden Theaterbesuchern umgeben ist, will niemand etwas von diesem Mord bemerkt haben.

Inspector Alan Grant wird mit der Aufklärung des Falles beauftragt, die sich als schwierig gestaltet, denn je weiter die Untersuchung fortschreitet, desto mysteriöser und rätselhafter wird der Fall. Die Liste der Verdächtigen ist lang und wer könnte ein Interesse daran haben, diesen unscheinbar anmutenden, braven jungen Mann ins Jenseits zu befördern? Ein scheinbar unbeteiligtes Ehepaar, das vermutlich nur zufällig bei ihm in der Schlange stand? Ein guter Freund und Mitbewohner, mit dem das Opfer kurz vor seinem Tod in einen schweren Streit geraten ist? Ein stadtbekannter Verbrecher, der geradezu danach giert, der Polizei bei der Lösung des Falles helfen zu wollen, natürlich vollkommen uneigennützig?

Inspector Grant muss verschlungenen Pfaden folgen und so einige falsche Fährten eliminieren, bis dieser Fall endlich gelöst sein wird, der ihn unter anderem auch ins schöne Schottland führt, eine wunderschöne Gegend, die die Autorin nicht nur in diesem Buch zum Schauplatz des Geschehens macht. Aber das ist nicht verwunderlich. Denn die Autorin Elizabeth Mackintosh (1896 – 1952) war Schottin (Josephine Tey war ihr bekanntes Pseudonym). Sie hat in Schottland ihre Jugend verbracht, bis es sie später nach England zog.

»Der Mord in der Schlange« atmet die Atmosphäre des goldenen Zeitalters englischer Kriminalliteratur, ein vielversprechender erster Auftritt des sympathischen Inspectors Grant.

Josephine Tey: Der Mord in der Schlange | Deutsch von Alfred Dunkel
Anakonda Verlag 2024 | 192 Seiten | Jetzt bestellen