John Scalzi: Das SyndromMein Schwung ließ mich einen Sekundenbruchteil später gegen die Wand krachen. Ich ließ Rees los. Sie kroch zur Seite, humpelte auf die Straße und griff nach etwas anderem in ihrer Handtasche. Ich richtete meinen Stunner auf sie und machte mich bereit abzudrücken.

Doch dann hielt ich mich zurück, als ich die Granate in ihrer Hand und den gezogenen Stift sah.

»Verdammte Scheiße, das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«, rief ich.

Der junge FBI-Agent Chris Shane leidet unter dem Haden-Syndrom. Die Folge eines weltweiten Virus, der manche Infizierten in den eigenen Körper einsperrt. Auch Chris ist bei vollem Bewusstsein und ohne Kontrolle über seinen Körper. Für Leute wie ihn gibt es zwei Möglichkeiten, mit der Welt in Kontakt zu treten: Sie können sich Roboterkörper zulegen oder besonders begabte Menschen als Wirtskörper nutzen. Diese Menschen nennt man »Integratoren« und einem von ihnen, Nicolas Bell, begegnet Chris bei seinem ersten Fall. Bell sitzt neben der Leiche eines unbekannten Mannes und kann sich an nichts erinnern.

Scalzi ist Science-Fiction-Autor und hat bereits viele relevante Genrepreise gewonnen. Zuletzt für den Roman »Redshirts«, bei Star Trek jene bedauernswerten Figuren, die neu eingeführt werden, um rasch ein tödliches Ende zu finden. Bekannt wurde er durch eine Romanreihe über pensionierte Soldaten, die sich in geklonten jüngeren Körpern wieder in den Kampf stürzen.

Seine Romane tauchen zwar nicht in den Bestsellerlisten auf, doch sein gesamter Backkatalog verkauft sich beeindruckend gut. Vor kurzem konnte er deshalb einen aufsehenerregenden Vertrag abschließen, der ihm für dreizehn Romane in den nächsten zehn Jahren 3,4 Millionen Dollar einbringt.

Die Ausgangssituation von »Das Syndrom« erinnert an den Comic »The Surrogates« (verfilmt mit Bruce Willis). Scalzi ruht sich aber nicht auf der Grundidee aus, sondern durchleuchtet sie gründlich von allen Seiten. Es ist faszinierend zu verfolgen, wie er sie immer detaillierter beschreibt und dabei weitere neue Aspekte seines Themas dem Leser offenbart.

Verpackt wird das alles in eine recht konventionelle Krimihandlung, die aber durch gut gezeichnete Figuren und ein mehr als angemessenes Maß an Dialogwitz zu gefallen weiß. »Das Syndrom« ist flüssig und locker geschrieben, strotzt vor interessanten Ideen und hält die Spannung bis zum Ende. Gute Unterhaltung von einem souveränen Könner. Kein Buch, das man zweimal liest, das aber beim ersten Lesen richtig viel Spaß macht.

John Scalzi: Das Syndrom | Deutsch von Bernhard Kempen
Heyne 2015 | 400 Seiten | Jetzt bestellen