»Nun, lassen Sie es mich anders formulieren«, sagte Brendle und klickte mit dem Kugelschreiber. »Warum befleißigen Sie sich als ein intelligenter Mann, der Sie doch sind und dessen Job unzweifelhaft einen Gutteil Selbstanalyse erfordert, beständig eines Benehmens, von dem Sie genau wissen, dass es Ihr Umfeld verletzt?«
Kennedy gab vor, eine Weile darüber nachzudenken, während er an seiner Antwort feilte. Was er sagen wollte, war: »Warum schieben Sie sich Ihre Frage nicht in Ihren fetten Hintern?«
Kennedy Marr ist Ire, Autor, Alkoholiker und Zyniker. Er hat einige Bücher veröffentlicht, aber inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor in L. A., weil dies weniger Zeit kostet und mehr Geld bringt. Doch durch seinen exzessiven Lebenswandel droht ihm ständig die Pleite. Geldmangel ist für Kennedy natürlich kein Grund, mehr zu arbeiten, weniger zu trinken oder potenzielle Arbeitgeber freundlicher zu behandeln.
Dann wird er für einen hoch dotierten Literaturpreis vorgeschlagen, doch dafür muss er nach England ziehen und sich gewaltig am Riemen reißen. Ein Jahr soll er an einer Universität unterrichten, an der auch seine Ex-Frau lehrt, wofür ihm jede Motivation fehlt. Außerdem wäre er in der Nähe seiner übrigen Familie, mit der er vor Jahren gebrochen hat.
Die Handlung könnte direkt der dritten Staffel von »Californication« entnommen sein. Es ist die ansprechende Variation eines Themas (cooler Außenseiter in konservativer Umgebung), das nie langweilig wird, zumindest wenn es so schnoddrig und respektlos vorgetragen wird.
Nach dem eher oberflächlichen Thriller »Das Gebot der Rache« und der gelungenen Satire »Gott bewahre« hat sich Niven auf seine Anfänge besonnen und schickt ein großmäuliges, aber irgendwie sympathisches Arschloch ins Rennen. Dankenswerterweise befindet sich hinter der harten, vulgären Schale von Kennedy ein ebensolcher Kern, so dass man keine tränenreiche Läuterung im Hollywoodstil fürchten muss. Verglichen mit »Kill your friends« und »Coma« muss man allerdings feststellen, dass Niven selbst etwas milder und versöhnlicher geworden ist. Natürlich nur gemessen an seinen eigenen Maßstäben.
Mit anderen Worten: Sprache und Handlung von »Straight White Male« werden viele Leser abstoßen und verstören.
John Niven: Straight White Male | Deutsch von Stephan Glietsch
Heyne 2014 | 384 Seiten | Jetzt bestellen