Der Mann, der sich wie ein Betrunkener bewegte, krümmte den Rücken, begann zu zucken, warf den Kopf nach hinten, und aus seinem Hemd züngelten Flammen. Sie konnte einen kurzen Blick auf sein ausgemergeltes, verzerrtes Gesicht werfen, doch dann loderte sein Kopf auf wie eine Fackel. Er schlug sich mit der linken Hand gegen die Brust, während die andere noch immer die Leitersprosse umklammerte. Nun entzündete sich auch die rechte Hand und kokelte das Holz an. Sein Kopf kippte immer weiter nach hinten, er öffnete den Mund, um zu schreien, aber es kam nur schwarzer Rauch heraus.
Eine weltweite Seuche ist ausgebrochen. Dragonscale beginnt mit Mustern auf der Haut und endet damit, dass die Infizierten in Flammen aufgehen. Überall auf der Welt kommt es deshalb zu gewaltigen Bränden und die Seuche greift immer weiter um sich. Die Schulkrankenschwester Harper erlebt hautnah mit, wie sich Dragonscale ausbreitet und lernt dabei einen geheimnisvollen Feuerwehrmann kennen, der die Flammen zu beherrschen scheint.
Nachdem Harpers privates Umfeld zusammengebrochen ist, kommt sie in einer Siedlung unter, in der Infizierte versuchen, den Ausbruch der Seuche in ihren Körpern zu verhindern. Doch es gibt auch Menschen, die die Infizierten als Bedrohung sehen und Jagd auf sie machen.
Joe Hills Debüt »Blind« hat mich damals begeistert, ein schnörkelloser Horrorroman, der einen unwiderstehlichen Sog entwickelt. Seitdem habe ich alle seine Veröffentlichungen gelesen und vor allem im Comic-Bereich sind beachtliche Werke entstanden. Sein Meisterwerk ist die Comicserie »Locke & Key«, die es inzwischen auch als Hörspiel gibt und die sicher auch bald verfilmt wird. Es ist ein Werk, das sich mit den besten Büchern seines Vaters Stephen King messen kann, und für mich bis heute den Höhepunkt seines Schaffens darstellt.
Vier Romane sind bisher von Joe Hill erschienen, und er nähert sich immer weiter dem Stil seines Vaters an, im Guten wie im Schlechten. Er hat großartige Ideen und kann sie gut umsetzen. Seine Charaktere lassen einen mitfiebern und geraten in außergewöhnliche oder auch alltägliche Situationen, die man als Leser mitzuerleben scheint. Er erschafft Szenen, die beim Lesen Freude bereiten oder einem sogar das Herz brechen können.
Aber es gibt auch viele Längen, die einem das Gefühl geben, Hill würde nach Zeilenhonorar entlohnt werden. Ganze Passagen werden so ausgewalzt, dass man sich zwingen muss dranzubleiben. Dazu kommen noch viele zwischenmenschliche Szenen, die niedlich oder rührend sein sollen, aber einfach nur nerven, und der wiederholte und bemühte Einsatz von Liedern und Kinderreimen.
Das Buch ist ein waschechter King. Für viele Fans von Stephen King mag das eine tolle Nachricht sein, ich finde es eher bedauerlich. »Fireman« ist leider weniger das Werk eines Sohns als das eines Klons.
Joe Hill: Fireman | Deutsch von Ronald Gutberlet
Heyne 2017 | 960 Seiten | Jetzt bestellen
Stephen KIng nähert sich der wohlverdienten Schriftstellerrente, was ich nicht am Output (der ist so regelmäßig wie eh und je), sondern eher an der Qualität des Ausgestoßenen festmache. Da kam Joe Hill als potentieller Nachfolger gerade recht und schon jetzt sind in seinem noch überschaubaren Werk wahre Perlen zu entdecken, vor allem „Christmasland“. Hier geht es nun aber um den „Fireman“, den ich nicht ganz so kritisch sehe wie Andreas, wenngleich ich zumindest den Kritikpunkt der unnötigen Überlänge absolut mit ihm teile. Auch der Sohn leidet gelegentlich an der Kingschen Familienkrankheit des Endlosbeschreibens (ich habe gerade „The ballad of the flexible bullet“ gelesen und weiß, wovon ich rede – und dabei ist das nur eine Kurzgeschichte). Zurück zum „Fireman“: ja, ist definitv zu lang, aber die Story an sich ist interessant (wenn ich jetzt weiter kritteln wollte, würde ich über die Parallelen zu „The stand“ sinnieren, mache ich aber nicht. Eine Lanze will ich aber dennoch für dieses Buch brechen, welches ich insgesamt doch gerne gelesen habe: die Figur des „Fireman“ hat mich fasziniert, vielleicht gerade deshalb, weil sie im Endeffekt weniger mystisch war, als man zu Beginn des Buches hätte vermuten können.
PS: Ich gestehe, „Christmasland“ hat mich zum Joe Hill-Fan gemacht und auch die Kurzgeschichtensammlung „Heart-shaped box“ (Originaltitel) hat einige wunderbare Geschichten zu bieten, gibt‘ s leider nur noch auf Deutsch in Antiquariaten oder den anderen üblichen Verdächtigen.
Hallo Frank,
mich hat bei diesem Buch nicht nur die Langatmigkeit gestört, sondern auch die Ähnlichkeit bei Stil- und Themenelementen, das war mir insgesamt zu viel King und zu wenig Hill. Trotzdem schätze ich beide Autoren weiterhin und greife immer zu. Gerade habe ich „Mind Control“ gehört und fand es wirklich gut. „Sleeping Beautys“ wartet auch noch. Ich weiß nicht, ob du Comics liest, aber da befinden sich meiner Meinung nach die wahren Perlen von Joe Hill. Zu „Christmasland“ gibt es übrigens auch ein ergänzendes Comic unter dem Titel „Wraith“, das ich nur empfehlen kann.