Lange hat man auf den neuen Roman von Jeffrey Eugenides warten müssen, das Buch nach »Middlesex«. Nach dem episch angelegten Vorgänger nun eine nicht nur auf den ersten Blick simple Dreiecksbeziehung an einem College Anfang der Achtziger.
Es geht um die Liebesromane des viktorianischen Zeitalters, die von der Protagonistin Madeleine abgöttisch geliebt werden, und um die beiden Männer in ihrem Leben, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Mitchell plant Theologie zu studieren und reist nach seinem Abschluss durch Europa bis nach Indien, um Mutter Teresa zu unterstützen. Der geniale Leonard ist manisch-depressiv und wird nach einem Zusammenbruch von Madeleine gepflegt, die anschließend mit ihm zusammenzieht.
Die Inhaltsangabe erweist sich nach sieben Jahre Vorfreude als sehr ernüchternd und die ersten Reaktionen auf das Buch konnten eine gewisse Enttäuschung nicht verbergen. Auch ich muss zugeben, dass die Geschichte mich nicht im mindesten reizte, aber da ich, wie so viele andere, von »Middlesex« begeistert war, wollte ich zumindest einen Blick riskieren, und ich bin froh, dass meine Neugier gesiegt hat.
Ich war von der ersten Seite an gefesselt. Die Handlung dreht sich auf die ein oder andere Art immer um Bücher. In Seminaren, bei Diskussionen und während der Lektüre der Protagonisten. Es werden Theorien gesponnen und die Liebe zur Literatur beschworen. Das klingt trocken und sachlich, ist aber im Gegenteil kurzweilig und sympathisch, ohne Längen und von einer sehr angenehmen Lesbarkeit.
Nach Saunders‘ Ansicht hatte der Roman mit dem marriage plot seinen Höhepunkt erreicht und sich von dessen Verschwinden nie wieder erholt. In jenen Zeiten, als der Erfolg im Leben von der Heirat, die Heirat aber wiederum vom Geld abhing, stand den Romanciers ein Stoff zur Verfügung, über den sie schreiben konnten. Die großen Heldenlieder besangen den Krieg, der Roman besang die Ehe. Die Gleichberechtigung, gut für die Frau, war schlecht für den Roman. Und die Praxis der Scheidungen hatte ihm den Rest gegeben.
Eugenides tritt den Gegenbeweis an. Er zeigt, dass auch in heutigen Zeiten eine Liebe noch mit ausreichend Widrigkeiten zu kämpfen hat, um die Seiten eines Romanes unterhaltsam zu füllen. Feine, entspannte Unterhaltung auf hohem Niveau. Falls die Daseinsberechtigung des Romans tatsächlich belegt werden muss, dann legt »Die Liebeshandlung« ein starkes Zeugnis dar.
Nach »The Virgin Suicides« wurde inzwischen auch Eugenides‘ grandiose Kurzgeschichte »Die Bratenspritze« unter dem Titel »Umständlich verliebt« mit Jennifer Aniston verfilmt.
Jeffrey Eugenides: Die Liebeshandlung | Deutsch von Uli Aumüller und Grete Osterwald
Rowohlt 2011 | 624 Seiten | Jetzt bestellen