James Lee Burke: NeonregenDave Robicheaux, Lieutenant im Ersten Revier des New Orleans Police Departments, wird zu einem zum Tode Verurteilten ins Gefängnis gerufen. Johnny Massina will ihn warnen. Er schließt mit dem Leben ab, ist sich klar darüber, dass er nun für seine Taten büßen muss und seine Stunde gekommen ist. Den Lieutenant hat er als anständigen Menschen kennengelernt, der ihn auch nie festgenommen hatte.

Noch im Knast war ihm zu Ohren gekommen, dass Dave Robicheaux umgebracht werden soll. Dave hält das zwar für Gerede und gibt nicht viel darauf, aber dennoch erhält er Informationen aus dem Milieu von New Orleans. Auch sein Bruder Jimmy, der ein gutgehendes Restaurant führt, scheint irgendwie in die Sache verwickelt zu sein. Er wäre nicht Dave, wenn er der Sache nicht nachgehen würde. Nebenbei informiert er sich über den Fall eines toten Mädchens, das er vor zwei Wochen beim Angeln im Nachbarbezirk gefunden hatte. Dabei muss er feststellen, dass der dortige Sheriff den Fall als Tod durch Ertrinken zu den Akten gelegt hatte. Irgendetwas daran stinkt. Er weiß nur noch nicht was.

»Neonregen« ist der erste Roman aus der Dave-Robicheaux-Reihe, den James Lee Burke geschaffen hat. Mittlerweile umfasst die Reihe zwanzig Romane, und der inzwischen 80 Jahre alte Schriftsteller denkt noch immer nicht ans Aufhören. Burke hat einen Protagonisten geschaffen, der das Leben ganz unten kennt, alkoholabhängig ist sowie einige gesellschaftliche Zwänge nicht hinnehmen will und kann.

Dieser Protagonist ist einer der wenigen Polizisten, der aus der Ich-Perspektive erzählt, was ansonsten in der Kriminalliteratur häufig nur den Privatdetektiven vorbehalten ist. Die Figur zieht den Leser in seinen Bann. Häufig und oberflächlich agiert sie nach dem Motto: Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Doch Burke stattet sie mit so vielen Facetten aus, die den Leser hinter die raue Schale blicken lassen: hart, tödlich, verletzlich, angreifbar, zärtlich, sehnsüchtig nach Liebe, Harmonie und Geborgenheit.

Burke findet eine Mischung aus einerseits actionreichen und knallharten Szenen, andererseits aus entschleunigenden Alltagsszenen. Immer wieder kann sich der Protagonist an Landschaften und Sonnenuntergängen erfreuen. Auch findet er Ruhepausen auf einer Parkbank mit einem Kaffee und einem Taschenbuch in der Hand. Obwohl bereits vier Jahre trocken, bekämpft er mit Sport seinen erneuten alkoholischen Absturz. Sein Wille gibt ihm die Kraft. Der Wechsel von ruhigen und energiegeladenen Szenen sorgt für einen angenehmen Ausgleich beim Lesen. Anders als bei Page-Turnern muss der Leser nicht von Seite zu Seite rasen, sondern kann sich auf den Inhalt, die Situationen und Figuren einlassen, ohne dass es an Spannung mangelt.

Ein Roman absoluter Spitzenklasse.

James Lee Burke: Neonregen | Deutsch von Hans H. Harbort
Pendragon 2016 | 420 Seiten | Jetzt bestellen